Frankreich:Haltung, bitte

So viel hat der Terror inzwischen gelehrt: Ein Anschlag darf doch keine Wahl entscheiden. Aber wird es auch so sein?

Von Nadia Pantel

Politisch gesehen, wird das Schönste an diesem Wochenende der Sonntagabend. Dann ist die erste Runde der Präsidentschaftswahl endlich überstanden. Es ist Zeit, dass die Franzosen ihr Urteil fällen, bevor jede politische Substanz durch Zahlenspiele kaputt orakelt wird, die eher an Pferdewetten als an demokratische Prozesse erinnern.

Der Angriff auf eine Gruppe Polizisten am Donnerstag brachte kurz noch einmal Aufregung in die Debatten. Terror! Sofort überall dieselbe Frage: Wem nützt der Mord auf den Champs-Élysées? Dieser Reflex zeigt, wie gefährlich weit sich der Terror inzwischen in das westliche Selbstverständnis vorgefressen hat. Ein Aggressivling mit Sturmgewehr wird zum entscheidenden Wahlkämpfer erhoben. Welch unnötige, ärgerliche Ehre.

Denn dieser Mord ändert nichts daran, dass sich inzwischen wirklich jeder Kandidat zu jedem Thema geäußert hat, natürlich auch zum Islamismus. Niemand hat die mehr als 230 Menschen vergessen, die seit Anfang 2015 in Frankreich von Terroristen getötet wurden. Und jeder weiß, dass die Rechte glaubt, geschlossene Grenzen würden das Morden beenden, während die Linke eher auf Prävention und optimistischen Trotz setzt. Wäre es da nicht befreiend, sich den Wähler als rational Handelnden vorzustellen und nicht als zittriges Wesen, das von jedem Anschlag von links nach rechts oder sonst wohin katapultiert werden kann? Eine Demokratie muss auf Haltungen ruhen können, nicht auf Hysterie.

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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