Frankreich:Härte gegen die Gelbwesten

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Proteste der Gelbwesten halten Frankreich in Atem: Am Sonntag demonstrierten Frauen in Paris. (Foto: Gonzalo Fuentes/Reuters)

Frankreichs Regierung plant eine Datei über gewalttätige Demonstranten.

Von Leo Klimm, Paris

Im andauernden Konflikt mit der Protestbewegung der gelben Westen schaltet Frankreichs Regierung auf Härte um. Premierminister Édouard Philippe kündigte für Februar einen Gesetzentwurf an, der vorsieht, gewalttätige Demonstranten in einer eigenen Straftäterdatei zu erfassen. Nach dem Vorbild von Stadionverboten für Fußball-Hooligans sollen so Demonstrationsverbote wirksamer durchgesetzt werden, sagte Philippe in einem Fernsehinterview. Außerdem soll die Organisation und Teilnahme an unangemeldeten Kundgebungen schärfer bestraft werden; wer vermummt demonstriert, macht sich demnach künftig strafbar.

Kurzfristig setzt die Regierung auf die massive Erhöhung des Polizeiaufgebots bei Gelbwesten-Demonstrationen. An diesem Samstag werden laut Philippe landesweit 80 000 Polizisten die Proteste begleiten. Zum Vergleich: Die Zahl der Demonstranten bei den wöchentlichen Kundgebungen lag zuletzt bei nur noch 50 000. "Auf Ultra-Gewalt werden wir mit Ultra-Unnachgiebigkeit reagieren", sagte Philippe. Seit Beginn der Proteste Mitte November wurden bereits 5600 Personen in Gewahrsam genommen. Etwa 1000 von ihnen haben Gerichte wegen nachgewiesener Vergehen verurteilt.

Mitte Dezember hatte Präsident Emmanuel Macron versucht, die Demonstranten mit Zusagen für Hilfen im Umfang von zehn Milliarden Euro zu besänftigen. Doch ein radikaler Kern der Bewegung, die sich gegen hohe Lebenshaltungskosten und Steuern richtet, setzt die Proteste fort. Dabei kommt es regelmäßig zu Gewalttaten. Am vergangenen Wochenende etwa musste ein Minister in Sicherheit gebracht werden, nachdem Demonstranten in ein Regierungsgebäude eingedrungen waren. Zudem mehren sich Übergriffe gegen Journalisten. Besonderes Aufsehen erregte ein Internetvideo, in dem zu sehen ist, wie der frühere Boxprofi Christophe Dettinger einen Polizisten niederprügelt. Der Boxer stellte sich später. Bei einer umstrittenen Online-Spendenaktion, die am Montag zu seiner Unterstützung gestartet wurde, kamen binnen 24 Stunden mehr als 115 000 Euro zusammen. Viele Demonstranten und die Opposition prangern aber auch zunehmende Fälle von Polizeigewalt an.

In dieser aufgeheizten Stimmung versucht sich Macrons liberal gefärbte Regierungspartei La République en Marche für den beginnenden Europawahlkampf zu positionieren. Macron machte jüngst klar, dass er sich von den Gelbwesten nicht von seinen für dieses Jahr geplanten Reformen der Sozialversicherung abhalten lassen will. Weitere finanzielle Zugeständnisse schließt die Regierung aus. Mit der harten Haltung in Sicherheitsfragen sendet sie jetzt ein zusätzliches Signal an die Wählerschaft rechts der politischen Mitte, die auch von den konservativen Republikanern und dem rechtsextremen Rassemblement National (RN), dem früheren Front National, umworben wird.

Die Republikaner bemängelten Philippes Ankündigungen als ungenügend: Die öffentliche Ordnung müsse "sofort wiederhergestellt werden". Die Linkspartei La France Insoumise wiederum kritisierte die repressive Antwort auf die anhaltenden Proteste. Sie forderte mehr Geld für einkommensschwache Haushalte.

Nächste Woche beginnt in Frankreich eine "große nationale Debatte", bei der sich Bürger auf Hunderten lokalen Konferenzen zu Steuerfragen, Wohnungspolitik, Staatsaufgaben und einer bevorstehenden Verfassungsreform äußern sollen. Macron hatte diese Form der Bürgerbeteiligung im Dezember versprochen, um die Gelbwesten politisch einzubinden. Aus der Bewegung selbst soll allerdings demnächst eine Partei hervorgehen. Das kündigte Jacline Mouraud an, eine der Anführerinnen des gemäßigten Teils der gelben Westen.

Auch Italiens Populisten mischen inzwischen in der Gelbwesten-Krise mit. Sowohl der rechtsnationalistische Innenminister Matteo Salvini als auch der linkspopulistische Arbeitsminister Luigi Di Maio bekundeten zu Wochenbeginn ihre Unterstützung für die Gelbwesten. Salvini attackierte auch Macron direkt. Frankreich verwahrte sich am Dienstag gegen diese Einmischung: Europaministerin Nathalie Loiseau forderte Rom zu mehr Respekt auf. "Ich denke, die Priorität der italienischen Regierung ist, für das Wohlergehen des italienischen Volkes zu sorgen", sagte sie. "Sich für die Gelbwesten zu interessieren, hat nichts mit dem Wohlergehen des italienischen Volkes zu tun."

© SZ vom 09.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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