Frankreich:Generation Covid

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Der jüngste Präsident, den die Republik bisher hatte - aber ist Emmanuel Macron auch der Präsident der Jugend? (Foto: Benoit Tessier/AFP)

Frankreichs Präsident sucht die Nähe zur Jugend - deren berufliche Zukunft wegen der Corona-Pandemie derzeit düster erscheint. Bei einem Interview stellt sich Emmanuel Macron heiklen Fragen.

Von Nadia Pantel, Paris

Emmanuel Macron ist der jüngste Präsident, den Frankreich je hatte - ein jugendlicher Präsident ist er nicht. Als Macron 2017 mit 39 Jahren gewählt wurde, gehörte zu den häufigsten Vergleichen der mit dem damals 45-jährigen kanadischen Premierminister Justin Trudeau. Junger Staatschef: Das klang nach Yoga, bunten Socken, betonter Lässigkeit, eben nach Trudeau. Macron machte es anders. Er wollte und will einen großen Staatsmann verkörpern, keinen jungen.

Als ihn einmal ein Teenager mit Manu ansprach und duzte, wies Macron den Jugendlichen vor laufenden Kameras zurecht. "Du nennst mich Monsieur Le Président", stellte Macron klar. Ginge es nach den jungen Wählern, dann wäre heute auch nicht Macron Präsident, sondern seine Herausforderer vom linken oder rechten Rand. Wären in der ersten Wahlrunde 2017 nur die Stimmen der 18- bis 34-Jährigen gezählt worden, hätten sich Jean-Luc Mélenchon und Marine Le Pen in der Stichwahl gegenübergestanden.

"Es ist nicht einfach, 2020 20 Jahre alt zu sein."

Dabei hatte Macron seine Präsidentschaftskandidatur im November 2016 in einem Ausbildungszentrum in der Pariser Banlieue verkündet. Seine Botschaft: Wählt mich, denn ich bringe Frankreich als Wirtschaftsstandort voran und sichere euch damit einen anständigen Berufseinstieg. Doch genau dieses Versprechen ist mit den Folgen der Corona-Pandemie unhaltbar geworden. Schon vor dem Lockdown waren 25 Prozent der unter 25-Jährigen in Frankreich arbeitslos. Die beginnende Wirtschaftskrise wird die Jüngeren besonders hart treffen.

Im Élysée sprechen sie inzwischen von der "Generation Covid" und versuchen dem Gefühl gegenzusteuern, dass "die Zukunft der Jungen zu Gunsten der Gesundheit der Alten" geopfert wurde, eine Aussage, der in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifop 54 Prozent der 18- bis 30-Jährigen zustimmen. Im Oktober sagte Macron, auf Suche nach Kontakt mit der Jugend: "Es ist nicht einfach, 2020 20 Jahre alt zu sein." Nun erfolgt der nächste Annäherungsversuch. Am Freitagnachmittag gab Macron dem Videoportal Brut ein langes Interview. Es ist nicht das erste Mal, dass Macron mit Brut spricht, doch dieses Mal ging es um "Jugendthemen".

Im Zentrum standen dabei zunächst die jüngsten Fälle von Polizeigewalt. Das ist insofern kein Jugendthema, als dass sie Ältere genauso treffen kann wie Junge. Der aktuell bekannteste Fall, der brutale Angriff von drei Polizisten auf einen Musikproduzenten, betraf Michel Zecler. Zecler ist 41 Jahre alt, also ein Jahr jünger als Macron und drei Jahre älter als der Innenminister Gérald Darmanin. Doch Polizeigewalt wird insofern zum Jugendthema, als dass sich jüngere Menschen deutlich stärker über sie empören. Dies geht aus einer Ifop-Umfrage hervor, die am Donnerstag erschien. In dem Interview verwendete Macron, nach mehrmaligem Nachhaken, das Wort "Polizeigewalt" wieder selbst, als Präsident hatte er bisher darauf verzichtet.

Macron folgt dem französischen Ideal einer farbenblinden Republik, die keine Hautfarben kennt

Macron wurde zunächst von Rémy Buisine befragt, der den Franzosen ein Begriff wurde, als er in den vergangenen Wochen während seiner Arbeit wiederholt von Polizisten drangsaliert und angegangen wurde. Die junge Zielgruppe von Brut kennt Buisine schon länger, weil der 30-Jährige als Live-Reporter für das Portal von Demonstrationen berichtet. Buisine gehört zu den sichtbarsten Kritikern des neuen Sicherheitsgesetzes, zu dem auch ein Filmverbot bei Polizeieinsätzen gehören sollte. Der betreffende Artikel sollte umgeschrieben werden. Nun sagte Macron über das Filmverbot, dass dies "kein guter Weg" gewesen sei. "Auch morgen werden Bürger und Polizisten die Polizei filmen können."

Macron nahm sich für das Gespräch mehr als zwei Stunden Zeit. Auch der Kampf gegen Rassismus und die Diskriminierung von Muslimen stand auf der Themenliste des Interviews. Laut Ifop sind auch dies Fragen, die jüngere Franzosen mehr bewegen als ältere. Mit Blick auf die Kinder und Enkel von Einwanderern sagte Macron: "In unserem Land schauen wir nicht das enorme Potenzial an, das wir haben: Jugendliche, die Arabisch, Türkisch oder afrikanische Sprachen sprechen." Er wolle den Arabischunterricht in den Schulen stärken.

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