Frankreich:Einigkeit und Eruptionen

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Bei ihrem Besuch in Paris beschreibt Angela Merkel "gewaltige Fortschritte" im deutsch-französischen Verhältnis, auch dank deutscher Kompromissbereitschaft. Der Streit um Rüstungsexporte geht allerdings weiter.

Von Nico Fried, Paris

"Unsere Stimme wird weltweit nur dann gehört, wenn wir auch mit gemeinsamen Haltungen auftreten." Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Emanuel Macron betonten im Élyséepalast die Bedeutung der deutsch-französischen Zusammenarbeit für die Entwicklung der EU. (Foto: Kamil Zihnioglu/dpa)

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht seit der Unterzeichnung des Aachener Vertrags zwischen Deutschland und Frankreich "gewaltige Fortschritte" im Bemühen, gemeinsame Positionen beider Regierungen zu schwierigen europäischen Themen zu finden. Als Beispiele nannte Merkel in einer Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris die Kompromisse zur europäischen Gas-Richtlinie in Verbindung mit der geplanten Pipeline Northstream 2, sowie die Einigung über die Richtlinie zum Schutz des geistigen Eigentums. Beiden Kompromissen waren heftige Konflikte zwischen Paris und Berlin vorausgegangen. Zugleich räumte Merkel aber ein, dass es bislang noch keine Verständigung im Streit um Rüstungsexporte gebe, der durch den deutschen Ausfuhrstopp nach Saudi-Arabien ausgelöst wurde.

Für einen möglichen Aufschub beim Brexit zeigten sich beide Seiten grundsätzlich offen: "Wenn Großbritannien mehr Zeit braucht, dann werden wir uns dem natürlich nicht verweigern", sagte Merkel. Macron schränkte aber ein, er wolle eine Bitte um Aufschub nur prüfen, wenn diese "gerechtfertigt" sei.

Wir müssen "außenpolitisch handlungsfähiger werden", sagte Merkel. "Unsere Stimme wird weltweit nur dann gehört, wenn wir auch mit gemeinsamen Haltungen auftreten." Man brauche Antworten "auf die veränderte geopolitische Lage, die Fragen der Migration, die Herausforderungen der Digitalisierung und den Wandel des Klimas", sagte die Kanzlerin. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Europa handlungsfähig ist, wenn auch Deutschland und Frankreich mit gemeinsamen Vorstellungen auftreten."

Der Aachener Vertrag war Ende Januar als eine Art Aktualisierung des Elysée-Vertrags von 1963 unterzeichnet worden. Damit hätten Berlin und Paris "deutlich gemacht, dass wir den Willen haben, eng zusammenzuarbeiten, und wir haben auch eine Vielzahl von Projekten auf den Tisch gelegt", sagte Merkel.

Die Kanzlerin stellte die jüngste Einigung über den künftigen Schutz des geistigen Eigentums als vorbildlich für die deutsche Kompromissbereitschaft heraus. Kritiker halten Merkel und der zuständigen Justizministerin Katarina Barley (SPD) vor, sie hätten mit ihrer Zustimmung gegen den Koalitionsvertrag verstoßen, weil nun zum Schutz geistigen Eigentums die Einführung von sogenannten Upload-Filtern unumgänglich sei, obwohl dies von Union und SPD abgelehnt worden war.

Einig sind sich Macron und Merkel auch darin, eine Reform der EU-Industriepolitik voranzutreiben. "Wir müssen wirtschaftlich stark sein und innovativ", sagte die Kanzlerin. Auf dem EU-Rat im März werde man noch einmal über die Industriepolitik sprechen. Man habe zwar in Europa "eine Vielzahl von Richtlinien, die permanent verabschiedet werden", so Merkel. Diese gäben aber "keine kohärente Antwort" auf die Herausforderungen.

Auch eine grundlegende Neuordnung der Industriepolitik steht auf der Agenda

Macron sagte, man werde einen Fahrplan für die gewünschten Reformen aufstellen. Dazu gehöre eine Änderung des EU-Wettbewerbsrechts. Merkel hatte bereits am Dienstag angesichts zunehmender Konkurrenz aus Asien eine grundlegende Neuordnung der Industriepolitik in Deutschland und Europa gefordert. Politik und Wirtschaft müssten künftig gemeinsam strategische Planungen ausarbeiten. Die deutschen Wirtschaftsverbände reagierten mit Zustimmung, warnten aber auch vor zu starken staatlichen Eingriffen.

Ungelöst blieb in Paris zunächst der Streit um den einseitigen deutschen Rüstungsexportstopp nach Saudi-Arabien, der auch Gemeinschaftsprojekte mit Frankreich oder Großbritannien blockiert. Merkel selbst zeigte sich hier erneut kompromissbereit, ließ aber durchblicken, dass es Differenzen mit dem Koalitionspartner SPD gebe. Man könne sich nicht für eine europäische Armee aussprechen "und anschließend dann sagen, wenn es Gemeinschaftsprojekte gibt und Partner sich auch auf uns verlassen, dass wir dann zu keinerlei Gesprächen bereit sind", sagte Merkel. "Und deshalb werden wir diese Gespräche führen und wir werden sie auch in der Regierung miteinander führen." Zuletzt war der Exportstopp nach Saudi-Arabien von Großbritannien und Frankreich scharf kritisiert worden. Die unterschiedlichen Positionen gefährden auch deutsch-französische Vorhaben wie einen neuen Kampfjet und einen Panzer.

© SZ vom 28.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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