Frankreich:"Ein sehr schwerer Unfall"

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Während eines Medikamententests in einem französischen Privatlabor sind sechs Probanden schwer verletzt worden. Bei einer Person wurde der Hirntod festgestellt.

Von Hanno Charisius, München

Nach einem fehlgeschlagenen Medikamententest in einem Privatlabor in der französischen Stadt Rennes ist der Zustand von vier Probanden kritisch. Ihre Ärzte konnten am Freitag noch nicht sagen, ob sich ihr Zustand bessern wird. Bei einer weiteren Person wurde der Hirntod festgestellt, ein sechster Versuchsteilnehmer ist zur Beobachtung im Krankenhaus. Der Test begann vor zehn Tagen, am vergangenen Sonntag zeigten sich bei einem Probanden erste Probleme. Am Donnerstagabend wurde der Vorfall der für pharmazeutische Sicherheit zuständigen Behörde ANSM gemeldet. Die französische Gesundheitsministerin Marisol Touraine sprach von einem "sehr schweren Unfall". Ein vergleichbares Ereignis habe es in Frankreich noch nicht gegeben. Die Zusammensetzung des Medikaments ist noch nicht bekannt. Die ANSM plant nun eine Inspektion des Testlabors, auch die Staatsanwaltschaft ermittelt. Das auf Medikamententests spezialisierte Unternehmen Biotrial prüfte im Auftrag eines Pharmaunternehmens den neuen Wirkstoff an 90 Personen. Es handelte sich um einen sogenannten Phase-1-Test, bei dem zunächst nur an gesunden, freiwilligen Probanden überprüft wird, ob der Wirkstoff in niedriger Dosierung verträglich ist und keine gefährlichen Effekte auslöst. Zuvor war die Substanz an Tieren erprobt worden.

Erst in der sogenannten klinischen Testphase II bekommen Patienten die Arznei. Wieder geht es um die Sicherheit des Wirkstoffs, gleichzeitig werden aber Daten zur Wirksamkeit ermittelt und getestet, welches die beste Dosierung ist. In der Phase III schließlich muss das Mittel in einer größeren Patientengruppe seine Wirksamkeit bestätigen. Nur wenn in dieser Testphase weiterhin keine gefährlichen oder unkontrollierbaren Nebenwirkungen auftreten, hat das Mittel später eine Chance auf eine Marktzulassung.

Dass ein Proband in einer so frühen Testphase stirbt oder ins Krankenhaus kommt, ist ein extrem seltenes Ereignis. Im Jahr 2006 gab es einen ähnlichen Vorfall beim Phase-1-Test eines Wirkstoffs gegen Multiple Sklerose in Großbritannien. Kurz nachdem das Mittel injiziert worden war, reagierten die Körper von sechs der insgesamt acht männlichen Versuchsteilnehmer heftig. Aufgrund von multiplem Organversagen schwebten einige in Lebensgefahr, ein Mann lag drei Wochen im Koma.

© SZ vom 16.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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