Frankreich:Ein Glücksfall für Macron

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Christophe Castaner gilt als enger Vertrauter des französischen Präsidenten. Seine Aufgabe könnte darin liegen, den linken Flügel der Partei République en marche künftig abzusichern. (Foto: Patrick Kovarik/AFP)

Regierungssprecher Christophe Castaner soll die Präsidenten-Partei La République en Marche führen. Er gilt als enger Vertrauter von Emmanuel Macron. Seine Aufgabe könnte darin liegen, den linken Flügel der Partei in Zukunft abzusichern.

Von Stefan Ulrich, München

Eigentlich kann der französische Präsident Emmanuel Macron mit seinem Regierungssprecher zufrieden sein: Christophe Castaner ist eloquent, angriffslustig und ameisenfleißig, er liebt eine klare Sprache und verteidigt seinen Chef selbst dann hingebungsvoll, wenn dieser Arbeiter oder Protestierer beleidigt. "Man kann kultiviert sein und zugleich die Sprache der normalen Franzosen sprechen", sagt Castaner dazu. Macron nenne die Dinge eben beim Wort. Der Präsident hat demnach keinen Grund, seinen Sprecher abzulösen, der längst so etwas wie die Stimme der noch ganz jungen Bewegungspartei La République en Marche geworden ist.

Der 51 Jahre alte Südfranzose mit Dreitagebart gibt sich zugänglich, unkompliziert und unprätentiös

Doch hier beginnen die Probleme. Die Partei ist noch derart unerfahren und unterorganisiert, dass sie einen starken, politerfahrenen Chef braucht, der Kader und Ortsgruppen aufbaut und so den Präsidenten im Élysée-Palast mit seinen Anhängern verbindet. Dafür eignet sich nach Lage der Dinge besonders Castaner. Also hat Macron den 51 Jahre alten früheren Sozialisten gebeten, von der Stimme der Regierung zum Kopf der Partei zu mutieren. Castaner teilte am Mittwoch mit, er werde auf dem Parteitag am 18. November in Lyon für den Vorsitz kandidieren.

Dass er gewählt wird, steht praktisch außer Frage. Schließlich ist La République en Marche das Geschöpf Macrons. Die Opposition kritisiert denn auch, der Partei mangele es an innerer Demokratie. "Die Republik marschiert im Gleichschritt", spottet eine Senatorin der Grünen.

Castaner räumt zwar ein, sich vor seiner Kandidatur mit dem Präsidenten beraten zu haben. Daneben habe er aber auch mit anderen führenden Leuten gesprochen. Außerdem habe er, in seiner Eigenschaft als Staatssekretär für die Beziehungen zum Parlament, den Rückhalt der Abgeordneten und auch die Unterstützung der Basis. Das wirkt nicht übertrieben. Denn der 51 Jahre alte Südfranzose mit dem Dreitagebart, den die Klatschpresse als "beau gosse" (hübschen Kerl) bezeichnet, gibt sich zugänglich, unkompliziert und - im politischen Paris eine besondere Tugend - unprätentiös. Er habe Probleme gehabt, sich an den Prunk im Élysée zu gewöhnen, sagt er. "All das passt nicht zu mir. Das bin nicht ich."

Castaner, dem spätestens jetzt eine Schlüsselstellung für Macrons Erfolg und Wiederwahl zukommt, wuchs fern der Pariser Eliten und ihrer Hochschulen im Süden auf, wovon noch heute ein leichter Akzent zeugt. Er verließ mit 17 Jahren das Elternhaus, arbeitete als Kellner und Maurer, studierte später Jura in Aix-en-Provence und trat der Sozialistischen Partei bei. Zu Beginn seiner politischen Karriere wurde er Bürgermeister des Landstädtchens Forcalquier, was er noch heute ist und wo er weiterhin, wenn immer möglich, die Wochenenden verbringt. 2012 wurde er erstmals als Abgeordneter in die Nationalversammlung gewählt. Doch dann entfremdete er sich von den Sozialisten. Als Macron seine Bewegung gründete, trat ihr Castaner als einer der ersten Mandatsträger bei, obwohl die Erfolgsaussichten damals noch äußerst unsicher waren. Seine früheren Genossen werfen ihm dennoch bis heute vor, er sei ein Opportunist.

Für Macron ist Castaner jedenfalls ein Glücksfall. Während der Präsident die Medien meidet, eine leicht entrückte Rolle einnimmt und am liebsten in sorgfältig inszenierten großen Reden zum Volk spricht, liebt sein Vertrauter Mikrofone, Pressekonferenzen und Talkshows. Dabei wird er auch in seiner künftigen Rolle als Parteichef glänzen können. Daneben wird er sich aber darum kümmern müssen, der République en Marche, die nach eigenen Angaben 385 000 Parteimitglieder hat, eine klarere Struktur und Programmatik zu verleihen, um sie als dauerhafte Kraft in der französischen Parteienlandschaft zu etablieren. Parteifreunde mahnen ihn bereits, diese Aufgabe sei "titanesk und ein wenig undankbar". Castaner selbst spricht lieber von einer "außergewöhnlichen Herausforderung".

Der wahrscheinliche künftige Parteichef wird dabei auch auf die politische Ausrichtung achten müssen. Macron startete ursprünglich als ein linksliberaler Kandidat in den Wahlkampf. Heute halten ihm seine Kritiker vor, er sei wegen seiner Arbeitsmarktreformen und der Steuererleichterungen für Vermögende ein "Präsident der Reichen". Castaner könnte da die Rolle zufallen, mit Hilfe der Partei den linken Flügel abzusichern. Helfen wird ihm im neuen Amt sein ausgezeichneter persönlicher Draht zu Macron. Castaner spricht geradezu von einer "amourösen Dimension". Wenn er schon einen Chef haben müsse, so wolle er einen, den er bewundern könne. "Und alles an Emmanuel ist faszinierend: sein Werdegang, seine Intelligenz, sein Temperament und sogar seine körperliche Stärke."

© SZ vom 26.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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