Fraktionsgewitter über Stoiber:Stoiber verscherzt sich Sympathien

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Für Edmund Stoiber war es eine Art Gang nach Canossa. Der bayerische Ministerpräsident stellte sich der CSU-Landtagsfraktion, die - vorsichtig formuliert - über seinen Rückzug vom Rückzug aus Bayern irritiert ist. Das Fazit der Sitzung ist für den erfolgsverwöhnten CSU-Chef eher bescheiden: Er hat die Stimmung gegen sich nicht gedreht.

Kassian Stroh

Die Besuchergruppe aus der Bayerwald-Gemeinde Mauth kam wie bestellt. Kaum war der Ministerpräsident im Innenhof des Landtags seinem Dienstwagen entstiegen, erhob sich Beifall. Edmund Stoiber weiß, wie er schöne Fernsehbilder bekommt. Also ging er auf die Mauther zu, schüttelte Hände und betrieb Smalltalk, bevor er in die Sitzung der CSU-Fraktion entschwand. Wenn sich dort schon Unmut regt über Stoiber, nachdem er vergangene Woche seine Mitwirkung an der großen Koalition in Berlin aufgekündigt hat, tut Beifall von der Basis gut.

Was Stoiber nicht so gerne gehört hätte, erzählten die Mauther hinterher: Der Beifall galt allein Stoibers Eigenschaft als Landesvater, sagt der Schmid Franz. Von seinem Verhalten indes sei er nicht begeistert. "Wir hätten ihn schon untern Tisch neihauen können", ergänzt der Heindl Walter in etwas drastischeren Worten. Denn: "Des kann ma ned machen - einmal hin, dann her, hin, zurück. Hier samma höflich, aber daheim gemmas ihm wieder."

Gegeben haben es Stoiber am Mittwoch auch die CSU-Abgeordneten. Die vergangenen Tage hätten sie stapelweise Briefe und Mails bekommen, berichten manche, als sie am Mittwoch zur Fraktionssitzung eintreffen.Nun muss sich etwas ändern, fordern viele Abgeordnete - am deutlichsten hatte das am Dienstag Fraktionschef Joachim Herrmann gemacht, als er Stoiber "einsame Entscheidungen" vorwarf. Gestern bekam Herrmann, der von Stoiber zuvor noch in die Staatskanzlei gebeten worden war, dafür demonstrativ Rückendeckung von der Fraktion.

Deren Kritik entzündet sich vor allem an Stoibers Führungsstil: Dieser müsse sich von einem "dirigistischen" zu einem "kommunikativen" ändern, fordert etwa der Abgeordnete Hermann Imhof. Ob sich Stoiber noch einmal ändern könne, wird Imhof gefragt. Er sei optimistisch, antwortet der CSU-Abgeordnete: "Warum soll sich der Ministerpräsident nicht Dinge, die er vielleicht verlernt hat, neu aneignen?"

"So etwas habe ich noch nie erlebt"

Doch Edmund Stoiber verscherzt sich an diesem Mittwoch Sympathien. Etwa eine halbe Stunde habe er geredet, berichten Teilnehmer der Fraktionssitzung. Aber den richtigen Ton habe er nicht getroffen und die Stimmung gegen sich nicht gedreht, heißt es hinterher. Seine Rede habe er vom Blatt abgelesen und mehrfach die Abgeordneten mit "Sie" statt "Ihr" angeredet, mokiert sich ein Abgeordneter. Anschließend gibt es eine mehrstündige sehr kritische und heftige Diskussion. "So etwas wie heute habe ich noch nie erlebt", sagt der von Stoiber einst geschasste Justizminister Alfred Sauter. "Da nehmen einfache Abgeordnete kein Blatt vor den Mund."

Die Stimmung ist aufgeheizt. Der Eichstätter Thomas Obermeier fordert Stoiber im Donaukurier auf, den CSU-Vorsitz niederzulegen. In der Sitzung wirft Sauter Stoiber vor: "Du hast den Bayern ihren Stolz genommen und dem Freistaat seinen Nimbus." Niemand, der sich zu Wort meldete, habe sich hinter den Ministerpräsidenten gestellt, berichtet die Abgeordnete Reserl Sem: "Wir müssen doch die Wahrheit sagen." Und als der Miesbacher Jakob Kreidl spricht, kommt es zwischen ihm und Stoiber zu einem regelrechten Eklat. Der anschließende donnernde Applaus aber gilt Kreidl.

Die CSU erwartet ein Signal von ihrem Anführer. Am Dienstagabend hatte der Fraktionsvorstand vier Stunden lang getagt - und die Erwartung ausgesprochen, Stoiber müsse in der Fraktion substanzielle Veränderungen ankündigen. In der Sitzung am Mittwoch soll Stoiber dann zwar versprochen haben, der Kommunikation wegen mehr Präsidiumssitzungen abzuhalten und auch eine Kabinettsklausur.

Die Landkreise wolle er bereisen und das Grundsatzprogramm der Partei fortentwickeln. Letztlich aber habe Stoiber keine echte Einsicht gezeigt, sagen Abgeordnete hinterher. "Stoiber schreibt viel mit", sagt Max Strehle - offen sei aber, welche Schlüsse er daraus ziehe.

"Ich erhoffe mir, dass wir mehr miteinander als übereinander reden", sagt der Abgeordnete Walter Nadler. Er erinnere sich noch, wie Stoiber früher Abgeordnete auch mal in die Staatskanzlei eingeladen habe. Das aber habe es in den vergangenen zwei Jahren kaum noch gegeben, sagt Nadler. "Er war gedanklich zu sehr in Berlin." Andere Fraktionsmitglieder gehen weiter: Ohne echte Änderung der Politik, sagt Strehle, sehe er für die CSU bei der nächsten Landtagswahl 2008 den Untergang voraus. Auch der einzig an sich schöne Moment für Stoiber hat einen bitteren Beigeschmack: Als ihm Joachim Herrmann ein Geschenk für seinen neu geborenen dritten Enkel überreicht. Es ist die "Raupe Nimmersatt".

© SZ vom 10.11.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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