Flüchtlingsroute:Parcours durch Stacheldraht

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Auf dem Balkan sichern wieder fast überall Zäune die Grenzen. Ungarn will die Abschottung noch weiter treiben.

Von Nadia Pantel

Vor genau einem Jahr, am 14. September, stellte Ungarn seinen Zaun an der Grenze zu Serbien fertig. Einen Monat später schloss das Land die Grenze zu Kroatien, wieder mit einem Zaun. So will die Regierung von Viktor Orbán Flüchtlinge daran hindern, Ungarn auf ihrem Weg nach Mitteleuropa zu passieren. Die Möglichkeit, in Ungarn zu bleiben, ist für Menschen auf der Flucht ohnehin fast ausgeschlossen: Die ungarische Regierung gibt an, dass von 177 135 gestellten Asylanträgen im Jahr 2015 ganze 146 genehmigt wurden.

Da der Stacheldraht alleine Menschen nicht aufhält und sich recht einfach Löcher in den Zaun schneiden lassen, plant die Regierung in Budapest den Bau einer höheren und breiten Sperranlage. Zudem sollen 3000 zusätzliche Grenzbeamte für Zaun-Patrouillen eingestellt werden. Die ungarische Regierung rühmt den Zaunbau als Ausdruck ihrer Souveränität und provoziert gerne mit ihrer Entschlossenheit zur Abschreckung. So löste György Schöpflin, Europa-Abgeordneter der regierenden Fidesz, Ende August einen Skandal aus, als er twitterte, dass Schweineköpfe auf den Zaun aufgespießt werden sollten.

Selbst Frontex, die EU-Grenzschutzagentur, rügt die Zäune

Andere europäische Länder brüsten sich zwar nicht mit Fremdenfeindlichkeit, Zäune bauen sie jedoch auch. Die Fluchtroute von der Türkei über den Balkan in die EU, auf der im vergangenen Jahr mehr als eine Million Menschen von Syrien, dem Irak und Afghanistan nach Deutschland reisten, ist mittlerweile von Stacheldraht durchzogen. Von West nach Ost lassen sich folgende Grenzanlagen zählen: Österreich hat seine Grenze zu Slowenien zusätzlich gesichert, Slowenien hat einen Zaun an der Grenze zu Kroatien gebaut, die Kroaten wiederum planen einen Zaun an der Grenze zu Serbien. Serbien selbst ist zum Auffanglager der Menschen geworden, die von Ungarn im Grenzgebiet aufgegriffen und zurückgeschickt werden. Menschenrechtsorganisationen dokumentieren seit Monaten, dass viele Flüchtlinge von ungarischen Grenzern misshandelt oder geschlagen wurden. Serbien hat zwar keine Zäune gebaut, aber seit diesem Sommer schickt das Land, das auf eine EU-Mitgliedschaft hofft, Soldaten und Polizisten an seine Grenzen mit Mazedonien und Bulgarien, um gemeinsam mit den Nachbarstaaten Menschen am illegalen Grenzübertritt zu hindern. Der Zaun zwischen Mazedonien und Griechenland wurde durch das Lager von Idomeni weltberühmt, als dort Tausende Flüchtlinge über Wochen ausharrten und auf die Weiterreise Richtung Mitteleuropa hofften.

An der Grenze zur Türkei ist es schließlich das EU-Mitglied Bulgarien, das die Außengrenze der Staatengemeinschaft mit einem Zaun verschlossen hat. Im Grenzgebiet kommt es auf bulgarischer Seite immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen durch selbsternannte "Flüchtlingsjäger", aber auch durch die Polizei.

Kritik an den Zäunen gibt es nicht nur von Menschenrechtlern, sondern auch von genau der Organisation, die für die Grenzsicherung Europas zuständig ist, von Frontex. Fabrice Leggeri, Direktor der europäischen Grenzschutzagentur, sagte am Dienstag dem Handelsblatt: "Zäune sind Symbole, aber sie können nicht die endgültige Lösung sein." Die EU müsse gewährleisten, dass Schutzbedürftige auch Asylanträge stellen könnten.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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