Flüchtlingspolitik:Merkel kämpft gegen Isolation in Europa

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Vor dem EU-Gipfel sucht die Kanzlerin dringend Verbündete. Eine kleine Koalition und ein Kompromiss mit der Türkei helfen.

Von N. Fried, Berlin

Trotz erheblichen Widerstands setzt Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Ringen um eine Eindämmung des Flüchtlingszuzugs auf europäische Unterstützung. Am Donnerstag soll bei einem Sondertreffen vor dem eigentlichen EU-Gipfel die Bereitschaft von elf Staaten bekräftigt werden, sich an der Kooperation mit der Türkei zur Sicherung der EU-Außengrenze zu beteiligen. Zu dem Treffen wird auch der türkische Premier Ahmet Davutoğlu erwartet. Zudem wurde mit der Teilnahme Frankreichs gerechnet. Vier osteuropäische Staaten bekräftigten hingegen am Montag ihren Widerstand gegen eine Lastenteilung in der Flüchtlingspolitik.

Die Bundesregierung wollte am Montag dem Eindruck entgegenwirken, sie sei in Europa isoliert. Das hatte vor allem der französische Premierminister Manuel Valls bewirkt, der feste Flüchtlingskontingente abgelehnt hatte. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, in zentralen Fragen der Flüchtlingspolitik gebe es zwischen Frankreich und Deutschland "große Übereinstimmung". Frankreich bekenne sich zu seinen Verpflichtungen aus geltenden Vereinbarungen der EU. Über weitere Kontingente könne ohnehin erst entschieden werden, "wenn die illegale Migration viel stärker eingedämmt ist als bis jetzt".

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), verteidigte die französische Regierung. "Frankreich nun in die Ecke der Unsolidarischen zu stellen ist angesichts dessen, was sie im Kampf gegen den Terror leisten, absurd", sagte Schulz der Süddeutschen Zeitung. "Ich rate dazu, vor dem EU-Gipfel pragmatisch zu bleiben und nicht unnötig zuzuspitzen", sagte Schulz. Er verwies auf die Bereitschaft Frankreichs, entsprechend den bisherigen Beschlüssen in der EU 30 000 Flüchtlinge aus dem vereinbarten Kontingent der 160 000 Schutzsuchenden aufzunehmen. "Wenn Deutschland dann 40 000 aufnähme, müssten 90 000 auf die restlichen 26 Länder verteilt werden", sagte Schulz und fügte hinzu: "Das ist zu bewältigen, und darüber müssen wir in dieser Woche verhandeln."

Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei, die sogenannten Visegrad-Staaten, berieten am Montag in Prag über eine eigene Strategie. Falls Griechenland und die Türkei den Zustrom nicht begrenzen könnten, bestehe die Möglichkeit, "die illegale Wirtschaftsmigration an den Grenzen von Mazedonien und Bulgarien aufzuhalten", sagte Tschechiens Premier Bohuslav Sobotka in Prag. Greifbare Ergebnisse brachte das Treffen allerdings nicht. Athen fürchtet eine Schließung der Grenzen, weil Zehntausende Flüchtlinge in Griechenland stranden würden. Merkel warnte deshalb vor einer Grenzschließung zwischen Mazedonien und Griechenland. "Einfach in Mazedonien, das gar kein EU-Mitglied ist, einen Schutzzaun zu bauen, ohne uns darum zu kümmern, in welche Notlage das Griechenland brächte, das wäre nicht nur kein europäisches Verhalten, sondern löste auch unsere Probleme nicht", sagte Merkel der Stuttgarter Zeitung. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte die Visegrad-Staaten davor, zu einem "Verein der Abtrünnigen" zu werden.

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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