Flüchtlingskrise:CSU widerspricht der CSU

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Der Unions-Streit über die Asylpolitik geht weiter - mit neuen Fronten. In Brüssel lobt Manfred Weber den Pakt mit der Türkei als "Meilenstein".

Von Nico Fried, Berlin

Die Flüchtlingspolitik bleibt in der großen Koalition umstritten. Während CDU und SPD sich weitgehend zufrieden über das Abkommen der Europäischen Union mit der Türkei zur die Rücknahme und Verteilung von Flüchtlingen äußerten, zeigte sich die CSU, abgesehen von Einzelstimmen, skeptisch und forderte für den Fall des Scheiterns weitere Maßnahmen. "Wenn eine gemeinsame europäische Lösung nicht funktioniert, müssen wir national handeln - so wie es alle Länder entlang der Balkanroute tun", sagte CSU-Chef Horst Seehofer der Bild am Sonntag. Die Vereinbarung mit der Türkei sei "kein Durchbruch, sondern ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen europäischen Lösung". Es bestehe die Gefahr, dass Deutschland wieder die Hauptlast trage. Seehofer verlangte zudem eine Abstimmung im Bundestag über das Türkei-Abkommen sowie über die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel. Zugleich nahm er für die CSU in Anspruch, die Flüchtlingspolitik in Deutschland bereits stark beeinflusst zu haben. "Die Bundesregierung hat ihre Flüchtlingspolitik komplett geändert, auch wenn sie das nicht zugibt", sagte Seehofer unter anderem mit Blick auf die Weigerung, die an der griechisch-mazedonischen Grenze gestrandeten Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen.

Auch Seehofers potenzieller Nachfolger, der bayerische Finanzminister Markus Söder, warnte vor zu großen Erwartungen: "Es ist nicht gewährleistet, dass auch nur ein Flüchtling weniger kommt." Der Vorsitzende der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), bezeichnete den Pakt mit der Türkei hingegen als "Meilenstein" in der Flüchtlingskrise. "Die Wochen des Streits und des nationalen Egoismus sind jetzt vorüber", sagte Weber der Passauer Neuen Presse. Der "unkontrollierte Zustrom von Migranten nach Mitteleuropa" sei beendet.

Das Abkommen war am Freitag auf einem Gipfel der EU mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu vereinbart worden und bereits am Sonntag in Kraft getreten.

Kanzleramtschef und Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier hatte bereits unmittelbar nach dem EU-Gipfel das Abkommen als Erfolg von Angela Merkel (beide CDU) bezeichnet. "Es ist ein starkes Signal, dass Europa einig ist, und es ist auch ein Signal an die Menschen in Deutschland, dass wir hier in Deutschland nicht überfordert werden, obwohl wir auch in Zukunft selbstverständlich Menschen aufnehmen und unserer humanitären Verpflichtungen gerecht werden", sagte er im ZDF.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sieht Europa in "der schwersten Bewährungsprobe seiner Geschichte" gestärkt. "Die Staats- und Regierungschefs haben in letzter Minute verstanden, dass Europa zusammenstehen muss", erklärte Kauder. Nun solle jedes EU-Mitglied "ganz praktisch seinen Beitrag leisten, dass die beschleunigten Verfahren in Griechenland tatsächlich schnellstmöglich in Gang kommen und die EU-Außengrenzen noch effektiver geschützt werden".

SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel verteidigte insbesondere die Zusammenarbeit mit der Türkei. Das Land sei ein schwieriger Partner, sagte er der Funke-Mediengruppe. Verletzungen der Menschenrechte und das Vorgehen gegen die Kurden müssten weiter kritisiert werden, so Gabriel. Die aktuelle Flüchtlingskrise lasse sich jedoch nur mit der Türkei gemeinsam lösen. Die enge Zusammenarbeit zwischen Griechenland und der Türkei bei der Bekämpfung der Menschenhändler und Schlepperbanden wäre vor wenigen Monaten noch undenkbar gewesen, so Gabriel. Wie in der Entspannungspolitik der 70er Jahre gelte, dass Reden und Zusammenarbeit zu einer Verbesserung der Verhältnisse führe.

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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