Flüchtlinge:Sabotage

Viele EU-Länder erfüllen ihre Verpflichtungen nicht.

Von Thomas Kirchner

In der Flüchtlingskrise haben die Europäer Griechenland eine lange Schonfrist eingeräumt, nicht zuletzt, weil alle um Athens Finanznot wissen und die nicht sehr effiziente Verwaltung. Zudem ist klar, dass die 700 000 Flüchtlinge, die allein dieses Jahr über griechische Inseln nach Europa strömten, auch besser organisierte Staaten überfordern würden.

Doch nun ist der EU der Geduldsfaden gerissen. Diverse Staaten und Brüsseler Institutionen haben Athen drohend zu verstehen gegeben, dass es schlicht mehr tun muss. Beim Bau der Erstaufnahmezentren gegenüber der türkischen Küste, die Ende November hätten fertig sein sollen, geht kaum etwas voran; noch immer gibt es viel zu wenig Aufnahmeplätze, um die Flüchtlinge vorübergehend unterzubringen. Und die von der europäischen Grenzschutzagentur Frontex geschickten Beamten können nicht eingesetzt werden, weil ihre griechischen Teamleiter nicht auftauchen. Das nährt den Verdacht, Griechenland wolle alles beim Alten belassen und die Flüchtlinge weiterhin Richtung Norden durchwinken.

Die Athener Regierung hat nun guten Willen gezeigt, sie will sich künftig mehr helfen lassen. Heißt das, die geplante Umverteilung von 160 000 Flüchtlingen könnte bald wahr werden? Nein, denn nicht nur die Griechen vernachlässigen ihre Pflicht. Die Bereitschaft anderer Staaten, umverteilte Flüchtlinge aufzunehmen, liegt noch immer knapp über null. Ein Plan, der von den meisten sabotiert wird, kann nicht funktionieren.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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