Flüchtlinge:Für Schwule nicht sicher

Lesezeit: 2 min

Er saß im Gefängnis, beging einen Suizidversuch und erstritt vor dem Europäischen Gerichtshof ein historisches Urteil. Jahrelang kämpfte ein Marokkaner gegen die Abschiebung in sein Heimatland - nun bekommt er endlich recht.

Von Bernd Kastner und Dietrich Mittler, München

Ettayebi B. darf in Deutschland bleiben. Das ist deshalb bemerkenswert, weil der Mann aus Marokko stammt, seit Jahren um seine Zukunft in Deutschland kämpft und nun abermals obsiegt hat. Das Schicksal des Mannes wurde zum Politikum, weil er sich gegen Abschiebehaft aufgelehnt hat, und weil er schwul ist. Homosexuellen droht in Marokko, das die Bundesregierung so gerne als sicheres Herkunftsland deklarieren will, Gefängnis.

B. kam 2010 nach Deutschland, sein Asylantrag wurde abgelehnt. Aus Scham hatte er seine Homosexualität verschwiegen. Als er sich später offenbarte, glaubte ihm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht, sein Asylverfahren wurde nicht wieder aufgenommen. Auch dann nicht, als er seinen Lebenspartner als Zeugen anbot, das war 2015.

Da hatte er schon einiges hinter sich. 2013, er saß in Abschiebehaft in München-Stadelheim, wollte er sich das Leben nehmen, er wurde gerade noch gerettet. B. kam in ein psychiatrisches Krankenhaus, und von dort aus wurde er zum Flughafen nach Frankfurt gefahren, festgeschnallt auf einer Trage. Erst in Frankfurt stellte sich heraus, dass die Papiere für seine Abschiebung fehlten - man fuhr ihn zurück nach Stadelheim. Wenig später wurde er auf Beschluss eines Gerichts entlassen.

2014 schrieb B. dann, zusammen mit zwei anderen Asylbewerbern, Rechtsgeschichte, zumindest im Asylbereich. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschied nämlich auf seine Klage hin, dass Abzuschiebende nicht in normalen Gefängnissen mit Straftätern untergebracht werden dürfen, ihre Haft dient ja nicht der Strafe. Es bedürfe eigener Haftanstalten, so der EuGH. Einige Bundesländer haben seither kleinere Gefängnisse in Abschiebehaftanstalten umgewandelt.

Ettayebi B. hat schon einmal Rechtsgeschichte geschrieben - vor dem EuGH

Persönlich hat B. der EuGH-Beschluss aber noch nicht geholfen, das tat nun erst, weil er inzwischen in Nordrhein-Westfalen lebt, das Verwaltungsgericht Düsseldorf. Nach jahrelanger Ungewissheit hat ein Richter festgestellt, dass B. in Marokko aufgrund seiner Homosexualität Strafverfolgung drohe. B. sei zweifellos schwul, so das Gericht, und dass Homosexuelle in seinem Heimatland immer wieder angeklagt und verurteilt werden, stehe ebenfalls fest.

Für B.s Anwältin Gisela Seidler ist auch dieser Rechtsstreit Teil eines Politikums, schließlich hält die Bundesregierung Marokko, zusammen mit den anderen Maghreb-Staaten Algerien und Tunesien, für sichere Herkunftsländer. Sie will die Asylverfahren für Flüchtlinge von dort beschleunigen, ihre Abschiebungen erleichtern und so ein abschreckendes Signal aussenden. Seidler, Vorsitzende des Ausschusses Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein, kritisiert dieses Ansinnen: Entweder sei ein Land sicher oder nicht, ein bisschen unsicher gehe nicht. Wenn auch nur einer Gruppe politische Verfolgung drohe, dürfe ein Land nicht als sicher etikettiert werden, so laute auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Bis auf Weiteres sind die Maghreb-Staaten nicht als sicher eingestuft, im Bundesrat ist vor Kurzem ein Gesetzentwurf der Bundesregierung gescheitert.

Das Gericht in Düsseldorf hat Ettayebi B. Flüchtlingsschutz zugesprochen. Das Urteil ist rechtskräftig.

© SZ vom 23.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: