Flüchtlinge:Freikaufen gilt nicht

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"Effektive Solidarität" nennt die Slowakei den Plan: Staaten müssen keine Flüchtlinge aufnehmen, wenn sie Geld oder Grenzschützer beisteuern. Berlin lehnt das vehement ab.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Im Streit über die Verteilung und Aufnahme von Flüchtlingen in der EU haben sich die Positionen der Mitgliedstaaten nicht angenähert. Bei einer Aussprache am Donnerstagabend hätten die EU-Innenminister "teilweise sehr leidenschaftlich" diskutiert, sagte der slowakische Innenminister Robert Kalinak am Freitag in Brüssel.

Sein Land hat derzeit den EU-Vorsitz inne. Wie andere osteuropäische Staaten sträubt es sich gegen den Beschluss aus dem vergangenen Jahr, 120 000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien in Europa umzuverteilen, sowie gegen Pläne, das Dublin-System auf Basis von festen Quoten zu reformieren. Um dies abzuwenden, haben die Slowaken die "flexible Solidarität" erfunden, die sie jetzt "effektive Solidarität" nennen. Sie soll es möglich machen, dass Staaten weniger (bis gar keine) Flüchtlinge aufnehmen müssen, wenn sie sich anderweitig einbringen: indem sie Geld zahlen, mehr Grenzschützer senden, Asylantragsteller aus einem anderen Land vorübergehend unterbringen oder nur jene Flüchtlinge aufnehmen, die kaum Aussicht auf ein Bleiberecht haben.

Ein "Non-Paper" aus Bratislava, das diese Möglichkeiten für den Krisenfall aufzählt, stieß auf viel Kritik, nicht zuletzt aus Deutschland. Berlin will unbedingt verhindern, dass sich Länder komplett von ihrer Pflicht freikaufen können. Zu einem Minimum an Solidarität gehöre, "dass jeder Mitgliedstaat einen gewissen Anteil von Flüchtlingen auch tatsächlich aufnehmen muss", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Über "andere Wege der Solidarität" müsse weiter diskutiert werden. Bisher sind laut EU-Kommission 7535 Flüchtlinge umverteilt worden.

Rätselraten herrschte in Brüssel über die slowakische Idee, wie bei "gravierenden Umständen" vorzugehen sei. Dann solle der "Europäische Rat", also die Staats- und Regierungschefs, das Steuer übernehmen. Das würde auf eine komplette Entmachtung der Brüsseler Institutionen hinauslaufen.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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