Flüchtlinge:Balkan-Frage spaltet die Grünen

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Kretschmann in einer Flüchtlingsnotunterkunft. Der Streit innerhalb der Partei um die Haltung bei der Asylpolitik könnte nun wieder aufflammen. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Die Bundespartei steht erneut vor einem Konflikt mit Winfried Kretschmann.

Von Stefan Braun, Berlin

Noch ist es nicht so weit. Aber den Grünen könnte im Streit über die Asylpolitik ein Konflikt drohen wie im Herbst 2014. Bei vielen Spitzengrünen sitzt dieser Zusammenstoß immer noch tief. Entsprechend interessant wird es sein, ob sie ihn diesmal verhindern können.

Wieder geht es um den Umgang mit Westbalkanstaaten; wieder überlegt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, ob er mit anderen Bundesländern drei Staaten - Albanien, Montenegro und Kosovo - zu sogenannten sicheren Herkunftsländern erklären soll. Käme es dazu, hätte das Folgen, weil es die Asylverfahren verkürzen würde. Kritiker befürchten, dass die Asylverfahren dann gar keine richtigen Asylverfahren mehr sein würden. Als Kretschmann im Alleingang mit Unions- und SPD-geführten Ländern das Gleiche für Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina durchsetzte, durchlebten die Grünen den schwersten innerparteilichen Konflikt seit Jahren. Die Grünen-Spitze warf Kretschmann fast ungeschminkt Verrat an Flüchtlingen aus diesen Ländern vor. Kretschmann dagegen zeigte sich dort, wo er im Frühjahr 2016 wiedergewählt werden möchte, als Landesvater, der nicht nur grüne Überzeugungen vertritt, sondern im Umgang mit Flüchtlingen auch Probleme bei der Aufnahme nicht ignorieren möchte. Erst eine lange Debatte auf dem Parteitag im Dezember konnte den Streit lindern, eng verbunden mit dem Versprechen beider Seiten, dass sich das nie mehr wiederholen würde.

Stuttgarts Regierungschef wagte schon einmal einen Alleingang

Inzwischen hat sich parteiintern wenig geändert - nur die Zahl der Flüchtlinge ist noch einmal massiv angewachsen. So sehr sogar, dass unionsgeführte Bundesländer offen für eine Einstufung der anderen drei Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsstaaten plädieren, viele sozialdemokratische Landesinnenminister sich ähnlich äußern - und Kretschmann auf einem Flüchtlingsgipfel in Stuttgart mögliche Zustimmung signalisiert hat. Kein Wunder, dass sich andere Grüne nun mit Widerworten meldeten. Insbesondere die Co-Vorsitzende der Bundespartei, Simone Peter, sagte, dass sie von der Idee gar nichts halte. Ähnlich äußerte sich der Fraktionschef der Grünen im rheinland-pfälzischen Landtag, Daniel Köbler. Er sagte der Zeitung Die Welt: "Wir lehnen das Konstrukt sicherer Herkunftsstaaten als diskriminierend ab."

Nach dem Streit im Herbst hatten die Grünen sich nicht nur versprochen, offenen Streit künftig zu vermeiden. Sie hatten auch zugesagt, erst miteinander und dann übereinander zu sprechen. Dieser Vorsatz wackelt.

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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