Finanzaffäre:AfD fordert Geld von Prüfer zurück

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Im Streit um die Finanzen der Berliner Rathausfraktion geht deren Chef in die Offensive.

Von Markus Balser, Berlin

Das Papier, das die Berliner AfD zuletzt in helle Aufregung gestürzt hatte, enthielt eine klare Botschaft. Ein Wirtschaftsprüfer hatte im Auftrag der Fraktion deren Finanzen geprüft und übte harte Kritik: Die AfD habe sich zwar strikte Regeln auferlegt. Nur fehle es an der Bereitschaft zur "konsequenten Einhaltung bzw. Umsetzung". Unmissverständlich warnte der Prüfer gar vor drohenden finanziellen Folgen für die Fraktion: Es bestehe ein "nicht unerhebliches Risiko", dass es zu Rückforderungen durch den Präsidenten des Abgeordnetenhauses kommen könne. Die Fraktionsspitze um Georg Pazderski war wegen der Kritik an den Bilanzen düpiert.

Die Affäre um die Finanzen der AfD ist damit allerdings längst nicht zu Ende. Sie nimmt in diesen Tagen eine ganz neue Wendung. Denn das Lager des angezählten Fraktionschefs geht seinerseits in die Offensive. In einem Schreiben vom 31. August, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, formuliert Co-Fraktionschef Marc Vallendar in seiner Rolle als Anwalt der Fraktion schwere Vorwürfe gegen den Prüfer und Teile der eigenen Reihen. Die AfD-Fraktion fordere mit dem Schreiben die Gutachterkosten von 11848,24 Euro vom Prüfer zurück, heißt es in dem Papier. Denn der habe von der Fraktion den Auftrag für eine "unparteiische ergebnisoffene Begutachtung des Fraktionshaushalts- und Finanzsystems" gehabt. Geliefert aber habe er "ein parteiisches, eingeengtes 'Gefälligkeitsgutachten", das "den Grundsätzen der Berufspflichten eines Wirtschaftsprüfers" widerspreche. Die Fraktion habe deshalb Anspruch auf Schadenersatz.

Das Schreiben legt den Vorwurf einer Intrige nahe. Es macht deutlich, wie tief die Gräben innerhalb der Fraktion waren und sind. Es übt auch Kritik an die Adresse der eigenen Fraktionsreihen. Mitarbeiter hätten die erste Berichtsversion des Prüfers einer "umfassenden Redaktion, Revision" unterzogen und Änderungen vorgenommen. So seien 63 Prozent des Ursprungstextes ersetzt, verändert oder gestrichen worden. Entlastende Formulierungen seien entfernt und umgeschrieben, belastende verstärkt worden. So geht es aus dem Schreiben hervor. Der Prüfer habe die Änderungen aus der Fraktion weitgehend übernommen. Positive Einschätzungen der Bilanz seien so in eine "komplett gegenteilige Einschätzung" verwandelt worden. Die Prüfungsgesellschaft und der Prüfer äußerten sich auf SZ-Anfrage nicht zur finanziellen Forderung und dem Streit.

Bei dem geht es auch um einen Machtkampf um die Führung der Fraktion. Die stellvertretende Fraktionschefin Kristin Brinker war in dessen Folge zurückgetreten - wie sie erklärte, aus Ärger über die mangelnde Aufklärung offener Finanzfragen. Pazderski wies die Vorwürfe dagegen stets zurück. Er sah im Bericht selbst das Problem. Das Papier sei "massiv manipuliert" worden und deshalb "wertlos".

"Berlin braucht Lösungen", heißt es auf der Webseite der Landtagsfraktion. Doch in eigener Sache ist sie derzeit davon weit entfernt. Die zerstrittenen Lager reden nach Angaben aus Fraktionskreisen kaum noch miteinander. Kommuniziert wird oft über Anwälte. Dabei muss sich die AfD in Berlin schon im Herbst 2021 der nächsten Landtagswahl stellen. Die Affäre könnte bald auch die Gerichte beschäftigen, die für Aufklärung sorgen könnten. Die Frist zur Rückzahlung der gut 11 800 Euro Gutachterkosten läuft Mitte September aus. Der Brief an den Prüfer schließt jedenfalls mit einer klaren Botschaft: "Sollte meine Mandantin bis zum Ablauf der Frist keinen Zahlungseingang verzeichnen, werden wir den Anspruch gerichtlich durchsetzen", schreibt Vallendar.

© SZ vom 05.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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