Finale des Parteitags der Demokraten:Obamas Traumstunde

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Eine Mischung aus Superbowl, christlicher Erweckungsveranstaltung und Grammy-Award-Show: Die Demokraten inszenieren Obamas Rede als Krönungsmesse für den Kaiser von Pop und Politik. Und der hat einen ganz großen Traum.

Christian Kortmann

Als er schließlich vor die rund 80.000 Zuschauer im Invesco Field, dem Football-Stadion von Denver, trat, wurde er minutenlang gefeiert und kam nicht zu Wort. Danke, sagte Barack Obama immer wieder, "Thank you!", und die Masse jubelte noch lauter. Anstatt mit "Michelle"- oder "Hillary"-Fähnchen wie an den Vortagen wedelten Delegierte und Fans mit "Change"-Plakaten und teilkolorierten Retro-Schwarzweißfotos von Obama: Modern und verklärend zugleich, so hallte ihm sein Image als visuelles Echo entgegen. Die Menge verschwand zum Meer aus Pixeln, als würden die Olympischen Spiele gerade noch einmal eröffnet.

Es war eine höchst eigenwillige Kulisse, vor der Barack Obama seine Rede hielt: Sie erinnerte ein bisschen an Las Vegas, ein bisschen ans Brandenburger Tor und sehr stark an die "Wetten, dass..?"-Sommerausgabe auf Mallorca. (Foto: Foto: AFP)

Und sie, die Fans, sie sahen nur noch ihr Idol, ihren Hoffnungsträger, strahlend in einer Kulisse, die im Vorfeld für Spott gesorgt hatte: Auf der blauen Bühne ragte ein Halbrund aus pseudo-antiken Säulen empor, ein bisschen Las Vegas, ein bisschen Brandenburger Tor und sehr viel "Wetten, dass..?"-Mallorca-Sommerausgabe-Dekoration. Was wollte uns das Bühnenbild sagen: Erneuert sich die Demokratie, indem sie zu ihren griechisch-römischen Wurzeln zurückkehrt?

Kaiser der Pop-und-Politik-Kultur

Die Toga ließ er weg, aber ansonsten umgab sich Barack Obama am Donnerstagabend mit allem, was man von einem potentiellen Kaiser der Pop-und-Politik-Kultur erwartet. Damit ist nicht die dunkelrot changierende Krawatte zum schwarzen Anzug gemeint, sondern das ideelle Krönungsornat, das im fünfstündigen Vorprogramm aufgeboten wurde.

Neben Politikern unterschiedlichster Couleur wie Al Gore ("Ich glaube an Recycling, aber das ist lächerlich", sagte der Nobelpreisträger über John McCains Fortsetzung der Bush-Politik), den Martin-Luther-King-Nachfahren und Susan Eisenhower, Enkelin des republikanischen Präsidenten Dwight D. Eisenhower, traten Musiker auf, um Obama-Loblieder anzustimmen.

Jennifer Hudson sang die Nationalhymne, Stevie Wonder einen "Barack Obama"-Gospel, will.i.am trug zusammen mit John Legend "Yes We Can", Obamas Motto-Song, vor. Und Sheryl Crow sang vom Wandel, der Amerika gut tun werde.

Denn das war der Leitspruch dieses Abends: "Change You Can Believe In", der Wandel, an den man glauben kann, also das große Versprechen jenseits großer Politikerversprechen. In der Praxis wurde daraus eine Mischung aus Superbowl, christlicher Erweckungsveranstaltung und Grammy-Award-Show, eine nie zuvor gesehene Hybridform aus Parteipolitik und Popmusik, Entertainment mit dem verfassungspatriotischen Pathos, Amerika als das zu gestalten, was "wir Amerikaner" daraus machen wollen. Der demokratische Agitprop lief auf ein eindeutiges Zwischenergebnis hinaus: Den Superamerikaner hat Amerika schon gefunden.

Als die Stars die Arena für den Superstar aufgewärmt und die Ränge sich gefüllt hatten, leuchtete die Kulisse plötzlich blauer als zuvor und die Reihe der antiken Plastiksäulen wie ein massivgoldenes Tor der Möglichkeiten. Der Kandidat kam auf die Bühne, sagte "Ja, ich will euer Präsident werden!", und im Sportstadion herrschte eine Atmosphäre, als ob Barack Obama die 100 Meter ohne Spikes in 9,68 Sekunden gesprintet wäre und die Zeit wegen des Rückenwinds der Umfragewerte jedoch ungültig erklärt worden wäre.

Biographie im Mittelpunkt

Bemerkenswert an seiner Rede, die wie der gesamte Abend Visionäres und Realpolitisches verwob, war die Tatsache, dass Obama seine persönliche Geschichte in den Mittelpunkt stellte. Er habe es durch harte Arbeit bis an die Spitze geschafft, sagte er. Er glaube an den amerikanischen Traum und wolle noch höher hinaus. Das ist eine so selbstbewusste wie kühne, beinahe messianische Denkfigur: Dadurch, dass er seinen Lebenstraum verwirklicht, werde er wieder für alle Amerikaner möglich.

Im Folgenden attackierte Obama seinen politischen Gegner John McCain, ein vorweg genommenes erstes Rededuell. McCain wird in einer Woche, beim Parteitag der Republikaner, darauf antworten müssen. Dann sprach wieder der Visionär aus Obama, und man meinte Al Gore zu hören: Die USA müssten ihre Erdölsucht besiegen und endlich auf alternative Energien setzen.

Anleihen bei Kennedy und Martin Luther King

Was Obama nicht aussprach, aber in weiten Passagen seiner Rede mitschwang, war John F. Kennedys Forderung "Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern, was du für dein Land tun kannst." Dafür schlug Obama am Ende den Bogen zu seinem anderen politischen Vorbild, Martin Luther King. In Obamas Traumstunde flossen die Epochen, da gesellschaftlicher Wandel möglich schien, mit der Gegenwart zusammen, als wohnten die Zuschauer einer Séance von Visionären bei.

Am Ende löste sich alles in Jubel auf. Vorher zeigten die Kameras oft genug die verschiedenen ethnischen Gruppen, die einträchtig mit dem Star-Spangled-Banner winkten: Im Stadion hatten sich die Demokraten ein Miniatur-Amerika nachgebaut, einen metaphorischen Melting Pot, die Obama-World.

So muss man diese Inszenierung als konzentrisches System verstehen: Obama verkörpert Amerika, das Invesco Field in Denver verkörperte Obama, jetzt muss nur noch Amerika zu Obama-Land werden. Es wäre wohl ein unsanftes Erwachen, wenn es am Wahltag umgekehrt wäre, wenn nämlich Amerika zu Obama sagte: "Träum weiter!"

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