Festnahmen in der Türkei:Anonymer Tippgeber

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Die in der Türkei festgenommenen Deutschen wurden als Gülen-Anhänger angeschwärzt. Der Mann ist noch in Haft, seine Frau wieder zurück in Deutschland. Das Auswärtige Amt hat vor dem Hintergrund der Ereignisse seine Reisehinweise verschärft.

Von Lena Kampf, Andreas Spinrath und Daniel Brössler, Berlin/Brüssel

Die am vergangenen Donnerstag in der Türkei festgenommene Deutsche ist am Montagabend wieder in Deutschland eingetroffen. Bis zum Sonntag war die Frau in Antalya in Polizeigewahrsam. Der Staatsanwalt ließ dann die Vorwürfe gegen sie fallen, sie wurde "ohne Auflagen" freigelassen. Ihr Ehemann sitzt weiterhin in Haft.

Nach Informationen von SZ, NDR und WDR war es ein anonymer Tippgeber, der das Ehepaar aus Rheinland-Pfalz bei den türkischen Behörden als Gülen-Anhänger angeschwärzt hatte. Auch der genaue Zeitpunkt der Einreise soll in der Mail angekündigt worden sein. Die Verhaftung am Flughafen des Badeortes kam überraschend, weil das Paar in diesem Jahr schon mehrfach ohne Probleme in die Türkei gereist war, zuletzt vor wenigen Wochen.

Der Ehemann wird offenbar weiterhin der Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung verdächtigt, die von der Türkei als Terrororganisation betrachtet wird. Der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen wird von der türkischen Regierung vorgeworfen, den gescheiterten Militärputsch im Juli 2016 geplant zu haben.

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hatte am Samstag erklärt, dass der rheinland-pfälzische Geschäftsmann auch türkischer Staatsbürger sei, Dokumente des türkischen Generalkonsulats belegen jedoch nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR, dass er und seine Frau schon vor Jahren ausgebürgert wurden. Von der Freilassung der Frau hatte das Auswärtige Amt in Berlin nur durch den Anwalt der Familie erfahren. Zudem erklärte ein Sprecher der Behörde zuletzt, dass deutsche Konsularbeamte weiterhin keinen Zugang zu dem noch inhaftierten Mann erhalten hätten.

Das Auswärtige Amt verschärft seine Reisehinweise für die Türkei

Das Auswärtige Amt hat auch wegen des verhafteten Ehepaars am Dienstag seine Reisehinweise zur Türkei noch einmal aktualisiert. "Auch geringfügige", sogar "lediglich von Dritten behauptete Berührungspunkte" mit der Gülen-Bewegung könnten für eine Festnahme reichen. Davon werde derzeit "reger Gebrauch" gemacht. "Die Fälle, die wir jetzt gesehen haben, zeigen eben, dass es doch immer wieder sein kann, dass jemand als Verdächtiger gilt, der Gülen-Bewegung anzugehören oder sie zu unterstützen. Und dann sofort in die Mühlen der Polizei und der Justiz in der Türkei geraten kann", erklärte Außenminister Sigmar Gabriel in Berlin.

Unterdessen mehren sich Anzeichen für Widerstand gegen den von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz geforderten Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Das Land sei nach wie vor Beitrittskandidat, betonte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. "Wir mögen eine interne Diskussion in der Europäischen Union haben ebenso wie die Türkei eine interne Diskussion haben mag, ob sich das ändert - im Moment ist das aber nicht der Fall", sagte sie. Der Dialog laufe ebenso weiter wie die Arbeit an den Verhandlungen. Die Türkei dürfte auch Thema bei einem Treffen der EU-Außenminister am Donnerstag und Freitag werden. Italien und andere Länder gelten als Gegner eines Abbruchs der Verhandlungen.

© SZ vom 06.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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