Fernsehsender:Im Internet strömt das Geschäft vorbei

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Auch das Privatfernsehen bekommt Probleme, weil seine Zuschauer ins Netz abwandern. Mit den Zuschauern aber geht auch die Werbung - und damit verlieren die Sender wichtige Einnahmen. Ein Beispiel dafür bietet gerade Pro Sieben Sat 1.

Von Caspar Busse

Wer schaut heute überhaupt noch Fernsehen? Junge Leute tun es jedenfalls immer weniger. Ihr Medienverhalten hat sich in den vergangenen Jahren stark geändert. Sie kommunizieren in sozialen Netzwerken und schicken sich gegenseitig Nachrichten, Fotos und Filmchen über Whatsapp oder Snapchat. Sie hören Musik nicht im Radio, sondern per Spotify. Und sie sitzen auch nicht mehr vor dem Fernseher im Wohnzimmer, sondern nutzen Youtube oder Streamingdienste wie Netflix und Amazon-Prime, um - überwiegend amerikanische - Serien zu schauen, wo und wie sie wollen, per Computer, Tablet, Mobiltelefon, oft viele Folgen hintereinander. Binge-Watching, also Koma-Glotzen, heißt das heute.

Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Fernsehsender, ob auf die öffentlich-rechtlichen ARD und ZDF oder die private Konkurrenz wie RTL und Pro Sieben Sat 1. Zwar sinkt die durchschnittliche Seh-Dauer vor den Fernsehgeräten (noch) nicht. Aber die Zuschauer, die sich das sogenannte lineare Programm anschauen, werden immer älter. Abgesehen von wichtigen Fußballspielen oder dem "Tatort" am Sonntag gibt es kaum noch große Fernsehereignisse mit hohen Einschaltquoten. Zwar wird das Sprachbild vom Fernsehen als "Lagerfeuer", bei dem sich die ganze Familie im Wohnzimmer versammelt, immer noch bemüht. Die Wirklichkeit beschreibt es nicht mehr. Klassisches Fernsehen erreicht junge Menschen nicht mehr, wird womöglich zum Spartenprogramm.

Die Privatsender verlieren Zuschauer und Einnahmen

Die Antworten der Fernsehsender auf den grundlegenden Wandel durch die Digitalisierung wirken hilflos. Hier mal eine neue Serie, dort eine leidlich funktionierende Mediathek, ein bisschen Netflix kopieren, aber nicht zu sehr - ansonsten weitermachen wie bisher, heißt die Devise. Gegen die übermächtigen amerikanischen Anbieter kommen sie damit natürlich nicht an. Stattdessen rächt sich, dass in den vergangenen Jahren viel am Programm gespart und oft am Zuschauer vorbei gesendet wurde.

Sehr zu spüren bekommt die Krise das börsennotierte Münchner Fernsehunternehmen Pro Sieben Sat 1, das nach dem Aufkommen des Privatfernsehens in den Achtzigerjahren vom Medienunternehmer Leo Kirch groß gemacht wurde. Der Aktienkurs geht rapide nach unten, die Aussichten werden immer schlechter, die Glaubwürdigkeit leidet, die Anleger wenden sich ab. Es wird bereits nach einem Nachfolger für Unternehmenschef Thomas Ebeling gesucht. Dessen Strategie, massiv im Internet zu expandieren, um das Unternehmen unabhängiger vom Fernsehgeschäft zu machen, geht nicht auf. Zu wenig wurde ins Fernsehen gesteckt. Der Informationssender N24 etwa wurde vor einigen Jahren verkauft, heute aber wären gerade Nachrichten gut geeignet, um sich vom Allerlei der Streamingdienste abzusetzen. Online-Preisvergleichsportale wie Verivox oder Kontaktbörsen wie Parship können den Rückgang im Fernsehgeschäft eben nicht auffangen, und die Überschneidungen mit den Fernsehsendern sind nicht so groß.

Die Privatsender haben dabei nicht nur mit Zuschauerschwund zu kämpfen, sondern ihnen gehen auch wichtige Einnahmen verloren. Immer mehr Werbung wandert mit der jungen Zielgruppe ins Internet ab. Sender wie Pro Sieben oder Sat 1 geraten wirtschaftlich unter Druck. Die Zeiten, in denen das so einträgliche TV-Geschäft viel Geld in die Kassen brachte, gehen zu Ende. Selbst ARD und ZDF, die sich über die Rundfunkabgabe, die jeder Haushalt zahlen muss, finanzieren, geraten unter Rechtfertigungsdruck, ob ihr Angebot noch zeitgemäß ist. Alle Fernsehsender müssen sich wieder mehr um den Zuschauer bemühen - mit den richtigen und wichtigen Inhalten und auf dem richtigen Verbreitungsweg.

© SZ vom 13.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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