FDP in Hessen:Probleme mit der Demut

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Nach ihrem Stimmenzuwachs will die FDP in den hessischen Koalitionsverhandlungen mehr Ministerposten fordern - und die Steuern im Bund stärker senken.

Detlef Esslinger und Christoph Hickmann

Die Koalitionsverhandlungen in Hessen, zumindest erste Gespräche, beginnen an diesem Dienstag, und selbstverständlich behaupten alle Politiker von CDU und FDP, zunächst nur über Inhalte und erst am Ende über Posten zu sprechen. Nun ja, fast alle behaupten das. Einer nicht. Dieter Posch, stellvertretender Vorsitzender der hessischen FDP, will Minister werden, und zwar für Wirtschaft und Verkehr, wie schon von 1999 bis 2003. Auch Posch sagt zwar am Montag zunächst, Personalfragen würden am Ende der Verhandlungen geklärt, doch es bedarf nur weniger Zusatzfragen, damit der Mann konkreter wird.

Es fällt der hessischen FDP etwas schwer, ihre sagenhaften 16,2 Prozent mit der versprochenen Demut entgegenzunehmen. (Foto: Foto: AP)

Was spreche eigentlich dafür, den erfolgreichen CDU-Amtsinhaber Alois Rhiel auszutauschen, will ein Reporter von Posch wissen. Der antwortet, auch er selbst habe "in dem Bereich" mehrmals erfolgreich Verantwortung übernommen, zudem sei Wirtschaftspolitik ein klassisches FDP-Feld. Aber werde er nicht in diesem Jahr 65 Jahre alt, könne er denn die ganze Wahlperiode von fünf Jahren zur Verfügung stehen? Poschs Antwort: "Wenn ich das Amt übernehme, mache ich das so wie vorgesehen." Ganz klar, hier will einer der Nachfolger seines Nachfolgers werden.

Weder vorwärts noch aufwärts

Man merkt schon, es fällt der hessischen FDP ein bisschen schwer, ihre sagenhaften 16,2 Prozent mit jener "Demut" entgegenzunehmen, die ihr Vorsitzender Jörg-Uwe Hahn am Sonntagabend versprochen hatte. Dass sie mehr als ihr traditionelles Quorum von zwei Ministern beanspruchen wird, gilt als ausgemacht, dass sie vor allem ihre neue Macht im Bundesrat nutzen will, verheimlichen auch ihre hessischen Spitzenpolitiker nicht. Ihr erstes Thema dabei: das Konjunkturpaket der Bundesregierung, die FDP will die Steuern stärker senken als die große Koalition. Hahn und der Bundesvorsitzende Guido Westerwelle sagen zwar, sie würden den Bundesrat nicht als Instrument zur Blockade nutzen. Aber Posch sagt auch: "Die Bundesregierung täte gut daran, mit der FDP und den Ländern zu verhandeln."

Das Thema könnte eines der wenigen sein, bei denen es in den Verhandlungen zum Konflikt kommt. Der hessische CDU-Generalsekretär Michael Boddenberg sagt am Montag, seine Partei werde "auch den einen oder anderen Punkt streitig stellen" und nennt als Beispiel das Abstimmungsverhalten im Bundesrat. Üblich ist, dass sich eine Koalitionsregierung dort der Stimme enthält, wenn sie sich untereinander nicht einig ist. "Oppositionsparteien sollen und müssen dort ihren Teil beitragen", sagt Boddenberg. Mit anderen Worten: Im Bund ist die FDP in der Opposition, deshalb soll sie es mal bitte nicht übertreiben. Ansonsten aber ist alles schon ziemlich klar: Am späten Montagnachmittag sollte der Landesausschuss der CDU zusammenkommen, am Abend der FDP-Landesvorstand. Beide Gremien sollten die Koalitionsverhandlungen beschließen.

Mit derlei Dingen wird sich die Hessen-SPD vorerst nicht beschäftigen müssen; dementsprechend ging es am Montagmorgen in einer Schaltkonferenz des Landesvorstands um Themen wie das Verhältnis zur Linkspartei, das nun auch auf Bundesebene endlich geklärt werden müsse. Mit dabei in der Konferenz war auch Andrea Ypsilanti, am Abend zuvor von ihren Ämtern als Fraktions- und Landesvorsitzende zurückgetreten - und in Thorsten Schäfer-Gümbel jener Mann, der den Neuanfang organisieren muss. Vor allem personell wird das eine knifflige Aufgabe, beide Flügel der Partei erwarten nun von ihm, eingebunden zu werden. Denn auch mit Ypsilantis Rückzug ist die Spaltung des Landesverbands nicht vorbei; auf Schäfer-Gümbel warten jede Menge klärender Gespräche.

Immerhin soll es in der neuen Fraktion vorbei sein mit der Spaltung in die Vorwärts-Runde der Parteilinken und die Aufwärts-Gruppe, in der sich die Parteirechten und Netzwerker gesammelt hatten. So schlägt es jedenfalls Nancy Faeser vor, in der alten Fraktion Sprecherin der Aufwärts-Runde. "Wir müssen die Partei jetzt einen, und dazu gehört, dass die Gruppen in der Fraktion aufgelöst werden", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. "Die Meinungsbildung muss wieder in der Fraktion stattfinden, statt in separaten Gruppen." Die Gruppen hätten "zur Spaltung beigetragen", sagte sie: "Die Meinungsbildung hat nur noch innerhalb dieser Gruppen stattgefunden, so dass es ständiger Vermittlungen zwischen deren Sprechern bedurfte." Dadurch sei "ein erhebliches Maß an Energie verschwendet worden".

Solche Sorgen plagen Grüne und Linkspartei am Montag nicht: Während der Linken-Landesvorstand am Abend den alten Fraktionschef Willi van Ooyen wieder für dieses Amt vorschlagen wollte, erklärte bei den Grünen Tarek Al-Wazir, er wolle ebenfalls wieder an der Fraktionsspitze stehen. Immerhin das, wo für die Grünen doch wieder nichts geblieben ist als die Opposition.

© SZ vom 20.01.2009/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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