Familienministerium:Bastelarbeiten beim Mutterschutz

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Familie im Mittelpunkt: Aufgeklebte Gestalten in einem Gebäude des Ministeriums von Manuela Schwesig. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Manuela Schwesig kümmert sich zu Hause um ihre neugeborene Tochter. Und im Familienministerium herrscht plötzlich Stillstand. Wer ist schuld?

Von Constanze von Bullion, Berlin

Pünktlich zum Frauentag hat die Familienministerin eine Tochter geboren, und pünktlich zum 1. Mai, dem Tag der Arbeit, will sie zurück am Schreibtisch sein. Wird auch Zeit, werden manche im Familienministerium sagen, denn seit Manuela Schwesig (SPD) in Mutterschutz gegangen ist, scheint für ihre Vorhaben in der Bundesregierung die Devise zu gelten: Rien ne va plus, nichts geht mehr.

Drei Gesetzentwürfe hat Schwesig vorgelegt, bevor sie sich zur Entbindung zurückzog. Projekt Nummer eins: das Prostituiertenschutzgesetz, um das es zwei Jahre Gezerre gab. Projekt Nummer zwei: das Gesetz zur Lohngerechtigkeit, das zwar als das wichtigste familienpolitische Projekt der verbleibenden Legislatur gilt, aber seit Monaten von Union und Kanzleramt ausgebremst wird. Projekt Nummer drei: die Reform des Mutterschutzes, auch sie wurde jetzt zusammengestutzt. Ausgerechnet von der Ministerin, die Schwesig formal am Kabinettstisch vertritt: Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU).

Um zu verstehen, worum es geht, kann man das Mutterschutzgesetz von 1952 studieren. Es liest sich wie eine alte Fibel über die "werdende und stillende Mutter", die beim Melken oder Arbeit "mit Fußbetrieb", bei "Schaustellungen" oder anderen "Lustbarkeiten" vor Überbelastung und giftigen Substanzen zu schützen ist. Der Mutterschutz stellt Frauen sechs Wochen vor der Geburt von Erwerbstätigkeit frei, es sei denn, sie stimmen der Tätigkeit ausdrücklich zu. Bis acht Wochen nach der Geburt dürfen sie nicht beschäftigt werden.

Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, das Gesetz klarer zu fassen und zu entstauben. Die Familienministerin wollte den Mutterschutz auf möglichst viele Beschäftigte ausdehnen und Unternehmen dazu bewegen, für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen, statt für Mütter pauschale Arbeitsverbote auszusprechen. Auch sollen differenziertere Regelungen her, etwa für Labore, die heute vielfach Computerlabore sind, also nicht mehr gesundheitsschädlich. Mütter behinderter Kinder sollen längere Auszeiten bekommen. Neu war auch Schwesigs Plan, den Mutterschutz bundesweit auf Studentinnen und Schülerinnen auszuweiten.

Was dann kam, kommt jetzt öfters, wenn Schwesig etwas vorschlägt: Funkstille. Mehr als zwei Monate sei der Entwurf liegen geblieben, wegen Einwänden der Bildungsministerin, das sei "schon ungewöhnlich", sagt Familienstaatssekretär Ralf Kleindiek. "Wir wollen, dass wesentliche Verbesserungen nicht weiter verzögert werden, so etwa der Schutz für Mütter von Kindern mit Behinderung. Hier müssen wir dringend nachbessern."

Johanna Wanka als Aufpasserin? Unsinn, heißt es im Bildungsressort

Die Union blockiere die SPD, wo sie könne, etwa bei Erbschaftsteuer oder Leiharbeit, klagen Sozialdemokraten auch anderer Ressorts. Besonders gereizt reagieren Teile der Union auf Wünsche von Manuela Schwesig. Mit der Frauenquote und der Umwidmung des Betreuungsgeldes für Kitas habe sie genug erreicht - obwohl ihr Haus oft handwerklich Mangelhaftes vorlege, finden Unionisten. Erst kürzlich habe das Familienministerium beim Thema Flüchtlingskinder gepatzt. Aus SPD-Kreisen heißt es wiederum, Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) habe Bildungsministerin Johanna Wanka im September beauftragt, die Pläne der Familienministerin im Rahmen zu halten. Wanka als Aufpasserin für Schwesig? Unsinn, heißt es im Bildungsministerium. Wenn es Einwände gebe, dann nur aus fachlichen Gründen.

Wanka hat aus Schwesigs Entwurf zum Mutterschutz also erst einmal ein zentrales Element herausoperiert. Schülerinnen und Studentinnen kommen nicht mehr vor. Die Bildungsministerin fordert zwar gern mehr Familienfreundlichkeit an Hochschulen, will ihnen gleichzeitig aber auch möglichst viel Handlungsfreiheit lassen. Studentinnen wollten gar keine bundesweite Mutterschutzregelung, heißt es in Wankas Umfeld. An den meisten Universitäten gebe es dafür längst Regelungen, die Studentinnen wollten nach einer Entbindung nicht für Prüfungen gesperrt werden. "Spielräume für individuelle Regelungen sind an dieser Stelle wahrscheinlich mehr wert als starre Fristen, die unter Umständen den Druck erhöhen", sagt auch die Leiterin des Referats Familienfreundliches Studieren des Deutschen Studentenwerks, Astrid Schäfer. Andererseits biete eine bundesweite Regelung "auch Schutz".

Im Hause der abwesenden Ministerin Schwesig hat man nun nachgegeben und Studentinnen aus dem Entwurf entfernt. "Damit sind zentrale Punkte ausgehebelt", kritisiert die SPD-Sozialpolitikerin Carola Reimann. Auch aus der CDU kommen Bedenken. "Für die Union gilt: Ein angemessener Schutz auch für schwangere Schülerinnen und Studentinnen ist notwendig", sagt der familienpolitische Sprecher der CDU, Marcus Weinberg. Länder und Verbände sollen nun erst einmal selbst erklären, ob sie bundesweiten Mutterschutz für Studentinnen wollen oder nicht.

Bis dahin aber will man im Familienministerium noch andere Räder in Schwung bringen. Weil Bildungsministerin Wanka den Ausbau der Ganztagsschulen nicht voranbringe, fordert das Familienministerium 1,5 Milliarden Euro bis 2020 zum Ausbau der Hortbetreuung in den Ländern. Wildern in Wankas Garten? Es gibt größere Probleme. Den Stillstand beim Gesetz für Lohngerechtigkeit etwa, das seit Monaten im Kanzleramt liegt. Auch hier gilt das Motto: Still ruht der See.

© SZ vom 11.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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