Fall Lübcke:Seehofer: Rechtsstaat "mehr Biss geben"

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Der Innenminister prüft, Feinden der Demokratie Grundrechte zu entziehen.

Von dpa, epd, Berlin, Wolfhagen

Nachdem ein Mann mit rechtsextremem Hintergrund unter Verdacht steht, den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) erschossen zu haben, geht die Debatte weiter, wie Politik und Behörden den Kampf gegen Rechtsextremismus verstärken können. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) nannte Angriffe auf Repräsentanten der Demokratie "ein Alarmzeichen für unsere Demokratie". Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe an, er wolle "dem Rechtsstaat mehr Biss geben". Er fügte hinzu: "Es ist unsere Pflicht, das Menschenmögliche zu tun, um jene zu schützen, die bedroht werden." Prüfen will der Minister, ob und wie man Demokratiefeinden Grundrechte entziehen könnte. Das hatte der ehemalige CDU-Generalsekretär Peter Tauber angeregt. "Wir werden die Möglichkeiten ernsthaft prüfen", sagte Seehofer. Thüringens CDU-Chef Mike Mohring bezeichnete es jedoch im Redaktionsnetzwerk Deutschland als "problematisch, individuelle Grundrechte einzuschränken. Verfassungsfeinde sollten nicht als Märtyrer aus solchen Debatten hervorgehen." Auch SPD, Grüne und FDP lehnen den Vorschlag ab. Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte dem Tagesspiegel: "Den Rechtsstaat verteidigt man nicht, indem man ihn für einige abschafft."

Als Reaktion auf die Ermordung Lübckes haben am Samstag etwa 2600 Menschen in Nordhessen gegen Rechtsextremismus demonstriert. 600 Menschen versammelten sich auf dem Marktplatz von Lübckes Wohnort Wolfhagen zu einer Mahnwache, in Kassel zogen etwa 2000 Menschen durch die Innenstadt.

Die Zahl rechtsextremer Gewalttaten ist laut der Zeitung Bild am Sonntag im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. 2018 seien 48 solcher Taten erfasst worden, 2017 waren es noch 28, meldete die Zeitung unter Berufung auf den neuen Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der am Donnerstag vorgestellt werden soll. Demnach seien Ende 2018 rund 24 100 Personen in Deutschland als rechtsextrem eingestuft gewesen. Fast jeder Zweite von ihnen gelte als "gewaltbereit".

© SZ vom 24.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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