Fall Khashoggi:Ein schlimmes Signal

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Die Vereinigten Staaten und die EU-Länder bestrafen Saudi-Arabien für den dreisten Mord an dem Journalisten kaum. Das wird sich rächen, weil es ein gefährliches Signal an andere skrupellose Länder sendet.

Von Georg Mascolo

Wie die Regierungen der USA und der EU-Staaten bisher auf den Mord an dem saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi reagieren, ist erschreckend. Oder besser: wie sie nicht reagieren. Ja, Deutschland hat erst einmal die Waffenexporte gestoppt, was der französische Präsident Emmanuel Macron prompt "reine Demagogie" nannte. An Schießgerät aus Europa, auch für den mörderischen Krieg in Jemen, wird es also auch in Zukunft in Saudi-Arabien nicht fehlen. Die USA haben einige Visa für saudische Staatsbürger widerrufen. Das ist, jedenfalls bisher, beschämend wenig. Es gibt keine harten Sanktionen, kein klares Signal an alle Autokraten und Diktatoren, dass im Fall Khashoggi jede Grenze des Erträglichen überschritten worden ist.

Nach dem Mordversuch mit einem Nervenkampfstoff an dem russischen Überläufer Sergej Skripal und dessen Tochter im März in Großbritannien war dies ganz anders. In 27 Ländern kam es zu einer Ausweisung von mehr als hundert russischen Diplomaten. Ein Kapitalverbrechen unter Einsatz einer Massenvernichtungswaffe - so sah es etwa die Bundesregierung - war ein doppelter Verstoß gegen internationale Normen.

Genauso schwer wiegt der Fall Khashoggi: Es ist ein vollendeter Mord, verübt auf dem Boden einer diplomatischen Vertretung, dem saudischen Generalkonsulat in Istanbul. Dabei ist das Versprechen, solche Einrichtungen im Gegenzug für die zugesagte diplomatische Immunität nur zu den vereinbarten, friedlichen Zwecken zu nutzen, ein Eckpfeiler des internationalen Rechts.

Schon früher haben Staaten entschieden, welche Verstöße sie tolerieren oder nur milde sanktionieren. Realpolitik, wirtschaftliche und politische Interessen und manchmal Zynismus haben sich nie ganz sauber voneinander abgrenzen lassen. Die Bundesregierung wollte die guten Beziehungen nicht gefährden, als der vietnamesische Geheimdienst vergangenes Jahr seine Botschaft in Berlin nutzte, um einen Geschäftsmann zu entführen. Dass in diplomatischen Vertretungen ganze Stockwerke mit Abhörgeräten vollgestopft werden, ist gängige Praxis. Nichts davon aber hält dem Vergleich mit dem Mord an Khashoggi stand. Kommt das saudische Königshaus ungestraft davon, ermutigt dies alle Staaten, die bereit sind, selbst elementarste Regeln zu beugen und zu brechen. Davon gibt es viele.

Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbände verlangen inzwischen eine unabhängige Untersuchung durch die UN, sie wollen die Aufklärung dieses Verbrechens weder der türkischen noch gar der saudischen Justiz überlassen. Zu groß ist die Sorge, dass es zu einem Deal kommt, einer geheimen Absprache: wirtschaftliche oder politische Vorteile im Gegenzug für ein Ende der Ermittlungen. Journalisten wie Bob Woodward, die Schriftstellerin Joanne K. Rowling oder die Schauspielerin Meryl Streep unterstützen den Vorstoß, die UN einzuschalten.

Es wäre ein richtiger Schritt, denn es steht einiges auf dem Spiel. In Europa, vor allem in Deutschland, leben kritische Journalisten und Oppositionelle aus vielen Staaten. Ihnen Schutz zu gewähren, ist Pflicht und Ehre zugleich. Ist auch nur für einen einzigen von ihnen künftig der Gang in ein Konsulat oder eine Botschaft mit dem Risiko der Misshandlung, der Verschleppung oder gar des Todes verbunden? Es soll niemand sagen, der Fall Khashoggi sei nicht Warnung genug.

© SZ vom 08.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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