Fall el-Masri:Berlin betreibt Schadensbegrenzung

Lesezeit: 3 min

Regierung fürchtet um Verhältnis zu den USA / Staatsanwaltschaft: Dringender Tatverdacht gegen 13 CIA-Agenten

Nicolas Richter und Stefan Ulrich

Wenige Stunden nach dem Donnerschlag aus München bemühte sich die Bundesregierung um Distanz. ,,Wir sind selbstverständlich bereit, kooperationsfähig zu bleiben für die Terrorismusbekämpfung'', sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm in Anspielung auf die USA. Jedoch sei der Fall, der nun die deutsch-amerikanischen Beziehungen belasten könnte, allein Sache der Justiz.

Am Vormittag hatte die Staatsanwaltschaft München I bekanntgegeben, dass sie gegen 13 Agenten des Geheimdienstes CIA Haftbefehle erwirkt habe. Die Beschuldigten sollen Anfang 2004 den Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri im mazedonischen Skopje entführt und zu monatelangen Verhören nach Afghanistan verschleppt haben. Der Vorwurf lautet auf Freiheitsberaubung und gefährliche Körperverletzung.

Dass die deutsche Justiz ein Dutzend Mitarbeiter der US-Regierung verfolgt, ist in der Geschichte ein einmaliger Vorgang. Entsprechend um politische Schadensbegrenzung bemüht äußerte sich die Regierung in Berlin. ,,Es ist Sache der ermittelnden Staatsanwaltschaft, die Sache weiter zu betreiben'', sagte eine Sprecherin des Justizministeriums. Die USA seien zur Auslieferung eines Staatsbürgers nicht verpflichtet.

Immerhin der SPD-Obmann im BND-Untersuchungsausschuss, Thomas Oppermann, begrüßte den Erlass der Haftbefehle. Es sei sehr erfreulich, dass die Münchner Justiz so konsequent vorgehe, sagte er. Dies erhöhe den ,,rechtsstaatlichen Druck'' auf die USA und die Chancen el-Masris, dort rehabilitiert zu werden. El-Masri selbst sagte: ,,Der Staat steht jetzt an meiner Seite. Nun weiß ich, dass ich in einem Land mit Gesetzen lebe''.

Die Staatsanwaltschaft München ermittelt in dem Fall seit mehr als zwei Jahren. Während die Ermittler zunächst keine Hinweise auf die Täter hatten, erhielten sie über el-Masris Anwalt Ende 2005 eine Namensliste aus Spanien. Die mutmaßlichen Entführer, die in einer eigenen Boeing 737 reisten, waren in der Nacht vor der Verschleppung auf Mallorca zwischengelandet und hatten dort in einem Luxushotel übernachtet.

Die Fotokopien der Pässe wurden vom Hotel der Guardia Civil ausgehändigt, als diese die Aktivitäten der CIA auf Mallorca untersuchte. Im Frühjahr vergangenen Jahres stellte die Staatsanwaltschaft schließlich ein Rechtshilfeersuchen an Spanien. Diese Erkenntnisse ,,führten jetzt zur Begründung des dringenden Tatverdachts der Beteiligung an der Entführung des el-Masri gegen 13 eindeutig identifizierbare Personen'', betonte die Staatsanwaltschaft München. Die in den Haftbefehlen aufgeführten Personalien seien aber wahrscheinlich nur die Tarnnamen der CIA-Agenten.

Die Staatsanwaltschaft will jetzt versuchen, die Klarnamen herauszufinden. Dies dürfte schwierig werden, da sich die USA weigern, die deutschen Ermittler zu unterstützen. Journalisten ist es gelungen, die Spuren einiger Entführer bis zu deren Wohnungen im US-Bundesstaat North Carolina zu verfolgen.

Die Münchner Ermittler haben ihre Anträge auf Haftbefehle Ende vergangenen Jahres im bayerischen Justizministerium vorgelegt, das aber keine Einwände gegen den politisch heiklen Schritt erhob. Bei ihren Ermittlungen stützt sich die Staatsanwaltschaft auch auf Hinweise aus Italien.

Dort arbeitet die Justiz seit Jahren den Fall des islamischen Predigers Abu Omar auf, der im Februar 2003 in Mailand von US-Agenten entführt worden war. Der Fall ist in eine entscheidende Phase getreten. Ein Mailänder Gericht prüft gerade, ob es die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen 26 CIA-Agenten und mehrere italienische Geheimdienstler wegen Menschenraubes zulassen soll. Die Ermittler werfen den Agenten vor, den mutmaßlichen Islamisten Abu Omar auf offener Straße aufgegriffen und nach Ägypten geflogen zu haben. Dort soll er gefoltert worden sein.

Pollari: Ich bin der Sündenbock

Der frühere italienische Geheimdienstchef Nicolo Pollari, der unter den Angeklagten ist, bestritt am Montag vor Gericht jede Beteiligung an der Entführung. Er habe niemals an solchen illegalen Aktionen mitgemacht und werde nun als ,,Sündenbock'' und ,,Opferlamm'' missbraucht. Zudem könne er sich nicht richtig verteidigen, weil dafür notwendige Dokumente von der Regierung in Rom zum Staatsgeheimnis erklärt worden seien. Pollari fordert nun, Premierminister Romano Prodi und dessen Vorgänger Silvio Berlusconi im Fall Abu Omar zu vernehmen. Zudem will er das Verfassungsgericht klären lassen, ob er angeklagt werden kann.

Die italienische Justiz ließ derweil ein Haus des früheren Mailänder Stationsleiters der CIA, Robert Seldon Lady, im Piemont beschlagnahmen. Lady gehört zu den 26 CIA-Agenten, gegen die Haftbefehle erlassen wurden. Die Auslieferungsanträge an die US-Regierung liegen seit Monaten zur Prüfung bei Justizminister Clemente Mastella. Vergangene Woche mahnte die Staatsanwaltschaft Mailand den Minister zum zweiten Mal, endlich zu entscheiden. Der Fall gilt als ausgesprochen heikel für die italienisch-amerikanischen Beziehungen.

© SZ vom 2.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: