Fall Amri:Gefährlicher Geist

Auch Behördenfehler sind menschlich - aber dass sie in Berlin vertuscht werden sollten, ist eine Katastrophe.

Von Ronen Steinke

Die Berliner Ermittler, die Anis Amri auf den Fersen waren, als der noch als Drogen dealender Ex-Salafist galt, werden sich hinterher mit schlimmen Selbstvorwürfen gequält haben. Sie hätten Amri längst wegen der Dealerei verhaften können, das zeigt sich jetzt. Er hätte dann seinen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt nicht verüben können, zwölf Menschen würden noch leben. Dass man sich da schämt, ist menschlich.

Es ist ein Symptom dieser völlig überlasteten Stadt, wenn die Verfolgung eines Drogendelikts liegen bleibt - nicht der große Staatsskandal. Aber es ist das Symptom eines sehr gefährlichen Drückebergergeistes, wenn dieser Fehler später in den Akten verschleiert wird, womöglich gar von mehreren, sich deckenden Beamten. Solche Ermittler sind ein Sicherheitsrisiko der sehr ernsten Sorte.

In Berlin kann man von Glück reden, dass die Aufarbeitung des Falls Amri mit einem Wechsel an der Spitze der Innenbehörde zusammenfällt. Der Berliner Sonderermittler arbeitet seither bewundernswert gründlich und scharf, er hat offenbar das politische Mandat dafür. In Nordrhein-Westfalen, wo Amri ebenfalls hätte verhaftet werden können, gab es das nicht. Dort hat sich die rot-grüne Landesregierung lieber Deckung von einem handverlesenen "Sondergutachter" geholt, der ihr prompt ein 1 A-Zeugnis ausstellte. Aber vielleicht ändert sich das nach dem Regierungswechsel auch dort.

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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