Faktensplitter zur NRW-Wahl:"Mama hat alle Sachen gebügelt"

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Die singende Landeschefin, der harte Kampf um ein Prozent, eine Mutter, die ihrer siegreichen Tochter das Essen hinterherträgt - und die dämlichsten Wortspiel-Slogans: die kuriose Wahlnachlese aus Nordrhein-Westfalen.

Sarah Ehrmann und Thomas Schmelzer

Bei Landtagswahlen stehen meist die großen Parteien im Mittelpunkt. Es geht um Prozentpunkte, Prognosen und Blitzanalysen. Die kleinen Nachrichten fallen dabei oft unter den Tisch. Das finden wir schade. Deswegen haben wir die wichtigsten Randnotizen aufgeschrieben.

Mehrheitsverhältnisse: Zumindest bei der Dortmunder Pokalfeier am Sonntagabend dominierte Schwarz-Gelb. Im Landtag hat sich Hannelore Kraft dagegen eine komfortable Mehrheit erkämpft. (Foto: Bongarts/Getty Images)

[] Muttertag und Mutterglück: Hannelore Kraft weiß, wie man sich als Kind am Muttertag zu verhalten hat. Nachdem sie allen Wahlhelfern gedankt hatte, wendet sich die Wahlsiegerin bei der Wahlparty an ihre Mutter Anna, die mit der Papiertüte einer Hamburgerkette am Rand der Tanzfläche darüber wacht, ob die Tochter auch regelmäßig einen Bissen zu sich nimmt, und dankt ihr besonders: "Mama hat alle Sachen rechtzeitig gebügelt und das ist nicht zu unterschätzen."

[] Auf der Bühne der Discothek 3001 löst sich bei der Siegerin dann die wochenlange Anspannung. Sie trällert mit dem Duo Zeitsprung im Düsseldorfer Medienhafen. "New York, New York" zum Beispiel. Oder "Hit the Road, Jack". Ob das ein Hinweis auf eine eventuelle Alternativkarriere ist?

[] Die Linke lässt sich von den Sänger-Qualitäten Hannelore Krafts und der Niederlage nicht beeindrucken. Nach dem Auftritt von Sahra Wagenknecht in einer Düsseldorfer Kneipe sind einige Anhänger regelrecht befreit. Mit geballter Faust stimmen sie die Internationale an und skandieren "Rotfront".

[] Deutlich abgeklärter geht Katharina Schwabedissen mit der Niederlage um. Nach dem "beschissenen" (Oskar Lafontaine) Ergebnis macht sie sich zumindest um ihre persönliche Zukunft keine Sorgen. "Ich bin Krankenschwester, das ist ein gefragter Beruf - ich habe schon zwei Jobangebote", sagt sie der SZ.

[] "Winke, winke Linke": Die FDP-Anhängerschaft kostet ihren Sieg aus und genießt, dass jetzt andere in der Verliererrolle sind. Auf einer Facebook-Seite feiern die Liberalen ihre Trendwende - und verspotten den politischen Gegner mit allerlei Flyer-Entwürfen.

[] Auch bei der SPD regiert der eher mediokre Geschmack. Nach dem berühmten Currywurst-Plakat setzten einige Juso-Anhänger noch einen drauf: Auf der Wahlparty im Club 3001 kleben sich Jung-SPDler Sticker mit der Aufschrift "KRAFTfahrzeug" auf die Brust.

[] Kleiner Trost für Schwarz-Gelb: Zumindest im Fußball wird die Farbkombination gefeiert. Trainer Jürgen Klopp präsentiert bei der Pokalfeier ein T-Shirt mit dem Untertitel "Leider geil". Darüber ist ein dicker Haken wie auf Wahlscheinen abgebildet. Einige Wahlhelfer lassen sich vom Freudentaumel am Samstag wohl ein bisschen zu sehr mitreißen: In Dortmund melden sich am Sonntag 80 Wahlhelfer spontan krank.

[] Dass der britische Guardian und die großen amerikanischen Zeitungen die Meldungen aus der NRW-Wahl in ihren Online-Ausgaben noch in der Nacht veröffentlichen, war zu erwarten. Dass aber auch das amerikanische Independent-Blatt Slate die Gewinnerin Kraft zu einem der Topthemen macht, überrascht dann doch. Ob es der Landeschefin gefällt, dass ihr Artikel zwischen einer Kolumne über weibliche Brüste im Fernsehen und dem zurückgetretenen Yahoo-Manager steht?

[] Die rechtspopulistische Bürgerbewegung Pro NRW hatte vor allem ein Ziel bei der NRW-Wahl: mindestens ein Prozent. So viel musste die Bürgerbewegung erreichen, um 85 Cent pro Wähler staatliche Förderung zu erhalten. Und die hat die Partei dringend nötig: Momentan weist der Rechenschaftsbericht einen Schuldenstand von 240.000 Euro auf - viele der knapp 900 Mitglieder zahlen gar keine Beiträge. Diese Geldsorgen gelten auch als Grund dafür, warum Pro NRW vor der Wahl so massiv auf Konfrontation mit den islamistischen Salafisten ging. Schließlich hatte der Vorsitzende Markus Beisicht nach der Landtagswahl 2010, bei der die Partei 1,4 Prozent erhalten hatte, eine "Totschweigestrategie" der Medien für das Abschneiden seiner Partei verantwortlich gemacht. Die "maximale Provokation", die er für die Landtagswahl angekündigt hatte, bringt Pro NRW dieses Mal ein großes Medienecho ein - und ein Plus von 0,1 Prozentpunkt.

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