Bundestag:Ganz große Koalition beendet Streit um EZB-Urteil

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Der Antrag soll am Donnerstag mit großer Mehrheit im Bundestag verabschiedet werden. (Foto: REUTERS)

Union, SPD, FDP und Grüne wollen der Bundesbank ermöglichen, sich auch nach dem Karlsruher Urteil an Anleihenkäufen zu beteiligen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Im Streit um das EZB-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zeichnet sich eine Lösung ab. Union, SPD, FDP und Grüne haben sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung am Montag auf einen gemeinsamen Entschließungsantrag verständigt, mit dem sie das Urteil der Karlsruher Richter zum Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank endgültig umsetzen wollen. Der Deutsche Bundestag halte die Vorgaben des Urteils für "erfüllt", heißt es in dem Antrag, der am Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden soll. Er soll der Bundesbank ermöglichen, sich weiterhin an den Anleihenkaufprogrammen der EZB zu beteiligen.

Für Donnerstag ist zunächst noch einmal eine Debatte im Bundestag über das Urteil aus Karlsruhe geplant. Die Richter hatten Anfang Mai überraschend Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Anleihenkaufprogramms PSPP angemeldet. Sie hatten Bundesregierung und Bundestag gebeten, bei der EZB darauf hinzuwirken, die Verhältnismäßigkeit darzulegen. Im Grunde genommen sollte die EZB darlegen, dass die wegen der lockeren Geldpolitik sehr niedrigen und teilweise negativen Zinsen, die vor allem deutsche Sparer ärgern, in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Finanzierungskosten des italienischen Staates stehen. Bundestag und Bundesregierung hatten eine Frist von drei Monaten bekommen; sollten die Richter bis dahin nicht zufriedengestellt sein, dürfe die Bundesbank nicht mehr an den Anleihenkaufprogrammen teilnehmen.

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Diese Aufgabe war heikel, weil die EZB politisch unabhängig ist. Sie darf also von politischer Seite nicht zu Handlungen, gleich welcher Art, aufgefordert werden. Den Richtern war diese Zwickmühle bewusst gewesen. Kritiker monierten, dass das Bundesverfassungsgericht seine Kompetenzen überschritten habe. Die EU-Kommission drohte Deutschland mit einem Vertragsverletzungsverfahren.

Finanzminister Olaf Scholz sieht nun gute Chancen für eine Lösung

Vergangene Woche wurde nun ein Bericht von der EZB zugänglich gemacht, der die entsprechende Prüfung der Verhältnismäßigkeit enthält. Die Dokumente, insgesamt sieben Stück, bleiben als geheime Verschlusssache allerdings vertraulich; man darf sie einsehen, aber nicht verschicken.

Vonseiten der Bundesregierung sieht auch Finanzminister Olaf Scholz (SPD) nach der Bewertung der Unterlagen der EZB gute Chancen für eine Lösung. Die vertraulichen Dokumente sowie deren öffentlicher Bericht vom 25. Juni seien geprüft worden, schreibt Scholz in einem Brief an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU). Er liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Aus Sicht des Finanzministeriums hat die EZB ihre Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit der Anleihenkäufe "nachvollziehbar dargelegt". - "Der Beschluss des EZB-Rats in Verbindung mit den zur Verfügung gestellten Unterlagen genügt den Anforderungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2020 in vollem Umfang", heißt es in dem Brief von Scholz. Die Bundesregierung geht daher wie eine Mehrheit im Bundestag davon aus, dass die Bundesbank auch künftig an den Anleihenkäufen teilnehmen kann. Scholz kündigte an, den Verfassungsrichtern die Dokumente der EZB zu übersenden. Er wolle den Richtern zugleich "die Überzeugung darlegen, wonach die Unterlagen der EZB die Anforderungen des Urteils vom 5. Mai erfüllen."

© SZ vom 30.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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