Ex-Sowjetrepubliken:Sie trauen sich was

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Die Ukraine und Georgien, aber auch andere Staaten trotzen zunehmend selbstbewusst dem Druck, den Moskau auf sie auszuüben versucht. Sie arbeiten daran, ihre alten Abhängigkeiten von Russland weiter zu verringern.

Von Frank Nienhuysen, München

Ist es naiv, frech oder Ausdruck neuen Selbstbewusstseins? Die ukrainische Regierung traut sich eine wirtschaftspolitische Konfrontation mit Russland zu. Der gestoppte Warenverkehr auf die von Moskau annektierte Halbinsel Krim ist laut Regierungschef Arsenij Jazenjuk nur Kiews Antwort auf eine Drohung Russlands. Moskau hatte angekündigt, ukrainische Waren zu boykottieren, sollte das Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union tatsächlich im Januar in Kraft treten. Kiew will den russischen Boykott also erst gar nicht abwarten.

Auch den Streit mit Moskau über den Ausfall der Stromversorgung für die Halbinsel sieht die Ukraine recht gelassen. Gazprom-Chef Alexej Miller droht, der Ukraine kein Gas mehr zu liefern, woraufhin Kiew prompt erklärte, dann liefere eben die Europäische Union. Ohnehin seien die unterirdischen Gaslager in der Ukraine gefüllt und reichten bis Jahresende. So geht das hin und her. Offensichtlich fühlt sich Kiew gut gerüstet für ein wirtschaftliches Kräftemessen mit Russland.

Es wirkt verwegen, doch der Trend ist sichtbar: Die Staaten in Russlands Nachbarschaft, die einst zum Sowjetimperium gehörten und nun Richtung Europa streben, verringern allmählich ihre Abhängigkeit vom dominanten Russland. Die Ukraine ist da nur ein Beispiel. Der Krieg im Osten des Landes hat die ukrainischen Exporte zwar einbrechen lassen, aber auch deren Struktur hat sich stark verändert: 35 Prozent aller ukrainischen Exporte gehen jetzt in die EU, vor drei Jahren waren es noch 25 Prozent. Die Ukraine hat auch gelernt, weniger Energie zu verschwenden und so die Abhängigkeit von Gas aus Russland zu mindern. Zugleich hat der Handel mit China zugenommen, das zum dankbaren Abnehmer ukrainischer und kaukasischer Agrarprodukte geworden ist. Für Peking wiederum sind Länder wie die Ukraine oder Georgien wichtige Kanäle auf dem Weg in die EU. Wenn China etwa in Georgien produzieren lässt, erhalten Produkte das Siegel "Made in Georgia". Damit können diese Waren wegen des Assoziierungsvertrags zwischen Tiflis und der EU leichter auf den europäischen Markt geliefert werden. Für den Kaukasus-Staat Georgien ist China bereits zum drittgrößten Investor geworden. "Wir sind ein Tor zwischen China, Zentralasien und Europa. Russland wird deshalb realisieren, dass der Weg, Druck auf Nachbarn aufzuüben, nirgendwo hin führt", sagte der georgische Außenminister Georgi Kwirikaschwili der Süddeutschen Zeitung.

Als Markt für ihre Waren hätten sie Russland aber weiterhin gerne

Ausgerechnet China also, das von Russland als strategischer Partner hofiert wird, hilft Staaten wie der Ukraine und Georgien, sich von Russland zu lösen. Von den 80 Prozent, die etwa für Georgien einst der Handelsumfang mit Russland ausmachte, sind nach Angaben des georgischen Außenministers nicht einmal zehn Prozent geblieben. Gas bekommt es hauptsächlich von Aserbaidschan. So entsteht trotz aller Handelskonflikte in diesen Staaten neues Selbstbewusstsein im Umgang mit Russland. Moskau als großen Markt hätten sie bei all dem aber natürlich trotzdem gern.

Schwer hat es noch die Republik Moldau. Der verarmte Staat ist auf die Gaszufuhr aus Russland angewiesen. Doch das Land hat sich für Europa entschieden und trotzt Moskau. 2014 hat Russland seinen Status als wichtigstes Exportland für moldauische Waren verloren - an den EU-Staat Rumänien.

© SZ vom 25.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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