Ex-Finanzminister Peer Steinbrück:Wiederkehr eines Schwergewichts

Lesezeit: 3 min

Nach dem SPD-Debakel bei der Bundestagswahl 2009 fügte sich Peer Steinbrück in die Rolle als Hinterbänkler und schrieb erst mal ein Buch. Jetzt darf er im Parlament auf die Kanzlerin antworten. Das nährt Spekulationen - wird er Kanzlerkandidat?

Susanne Höll

Im Bundestag kann man an diesem Donnerstag Zeuge eines in mehrfacher Hinsicht denkwürdigen Auftritts werden. Denn im Plenum hält der inzwischen 64 Jahre alte Abgeordnete Peer Steinbrück seine Jungfern-Rede. Dem Parlament gehört der frühere Bundesfinanzminister nämlich erst seit September 2009 an und hat bislang auf jedweden Auftritt im Reichstag verzichtet und den Hinterbänkler gespielt. Aber natürlich ist Steinbrück nach wie vor einer der wichtigsten SPD-Politiker. Sein Wort hat Gewicht, gerade in Finanz- und Wirtschaftsdingen. Und ein glänzender Redner ist er auch.

Dass er nochmal Lust auf einen größeren Job hätte, ist dieser Tage in Berlin nicht zu übersehen. Die SPD, die ihn als Kanzlerkandidaten aufstelle, so pflegt Peer Steinbrück gern zu scherzen, müsse aber erst erfunden werden. (Foto: dpa)

Deshalb bekommt Steinbrück auch eine Jungfern-Rede de luxe: Er allein wird für die SPD auf die Regierungserklärung von Kanzlerin Angela Merkel zum Euro-Rettungsgipfel antworten, darf geschlagene 21 Minuten sprechen, fast so lang wie seine Ex-Chefin selbst. Die beiden haben sich in Zeiten der großen Koalition ausgesprochen gut verstanden und einander sehr geschätzt. Deshalb weigerte Steinbrück sich bislang, an der Kanzlerin herumzumeckern, was ein wenig schade war. Denn er ist ein Meister feinsinniger Bosheit, die sehr amüsant sein kann - vorausgesetzt, man ist nicht Objekt seiner Kritik.

Nun aber muss sich Merkel auf andere Zeiten einstellen. Denn auch Steinbrück findet, dass Merkel inzwischen deutlich zu viele politische Pirouetten dreht, nicht nur in der Europa-Politik, sondern auch bei Themen wie Atom oder beim Militäreinsatz in Libyen. Nach allem, was zu hören ist, will er das auch laut im Bundestag sagen, nicht hitzig oder gar pöbelnd, sondern kühl und deshalb womöglich schmerzender. Kritik aus dem Munde Steinbrücks dürfte die Kanzlerin jedenfalls härter treffen, als wenn sie vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier oder von Parteichef Sigmar Gabriel käme.

Auch deshalb sind die beiden froh, dass der einstige Finanzminister endlich einmal zu einem größeren Auftritt bereit ist. Beide wissen nur zu gut um die Personalprobleme der SPD und würden gern viel stärker mit dem Pfund Steinbrück wuchern, der sich bei öffentlichen Auftritten nach wie vor als Publikumsmagnet erweist. Seit fast eineinhalb Jahren wird nach einer herausgehobenen Funktion für ihn gesucht. Doch daraus wurde bislang nichts. Führungsposten in Partei und Fraktion lehnte er nach dem SPD-Debakel bei der Bundestagswahl strikt ab, schrieb stattdessen lieber ein Buch.

Inzwischen zeigt er wieder mehr Lust an der Politik. Gabriel wollte ihn zum Chef der SPD-nahen und etwas verschlafenen Friedrich-Ebert-Stiftung machen, wozu Steinbrück auch bereit gewesen wäre. Doch Gabriel scheiterte mit seinem ziemlich unglücklich angelegten Vorstoß.

Steinmeier wiederum brachte den Ex-Finanzminister zuletzt auf noch unglücklichere Weise ins Gespräch als Kandidat für das Amt des Bundesbankpräsidenten. Das erzürnte Steinbrück so sehr, dass er dem Fraktionschef, den er ansonsten schätzt, öffentlich und ruppig widersprach. Zwischenzeitlich wurde er auch in den Medien als potentieller Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten bei der nächsten Bundestagswahl gehandelt, in Zeiten, als Gabriel schlecht gelaunt verbreitete, er müsse ja nicht unbedingt der nächste Herausforder werden.

Auch Steinbrücks Rede im Bundestag wird, so steht zu vermuten, solche Spekulationen neu beleben. Denn Gabriel ist inzwischen zwar deutlich temperierter, die K-Frage ist für ihn aber, wie er intern immer wieder einmal verlauten lässt, tatsächlich nicht entschieden. Er hätte es bekanntermaßen gern, wenn diese Personalia in einer Urabstimmung der Mitglieder beschlossen würden. Die aber macht nur Sinn, wenn es mehrere Kandidaten gibt. Steinbrück wäre ein möglicher Mitbewerber, Steinmeier ein zweiter.

Solche K-Spektakel können Oppositionsparteien nutzen, vorausgesetzt, sie werden spielerisch geführt. Vor der Bundestagswahl 2002 sorgte der unerklärte Wettbewerb zwischen der damaligen CDU-Parteichefin Angela Merkel und dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber zwischenzeitlich für viel Aufmerksamkeit und Schlagzeilen, die die damals darbende Union gut gebrauchen konnte.

Für solche Spiele hat Steinbrück aber keinen Sinn, so etwas hält er für Mätzchen. Dass er noch einmal Lust auf einen größeren Job hat, ist allerdings nicht zu übersehen. Käme die SPD in absehbarer Zeit noch einmal in die Bundesregierung, wäre er gern noch einmal Finanzminister. Zwar ist er durchaus geschmeichelt, wenn man ihm die Kanzlerschaft zutraut. Doch er weiß am besten, was Teile seiner Partei, besonders Funktionäre, von ihm halten: sehr wenig bis nichts. Die SPD, so pflegt er zu scherzen, die ihn zum Kanzlerkandidaten mache, müsse erst erfunden werden.

© SZ vom 24.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: