Europäische Union:Türkei will mehr Handel

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Trotz politischer Spannungen will Ankara die wirtschaftlichen Beziehungen zur EU ausbauen. Der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekçi strebt eine Erweiterung der Zollunion auf den Agrar- und Dienstleistungsbereich an

Von Mike Szymanski, Istanbul

Trotz anhaltender politischer Spannungen will Ankara die wirtschaftlichen Beziehungen zur EU ausbauen. Wirtschaftsminister Nihat Zeybekçi will am Freitag bei Gesprächen in Brüssel die Erweiterung der Zollunion vorantreiben. Es geht darum, das Abkommen zwischen der EU und der Türkei auf den Agrar- und Dienstleistungsbereich auszuweiten. Bislang betrifft es Industriegüter.

Die Türkei ist dabei, ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu justieren. Zeybekçi sprach vor Wirtschaftsvertretern vom "derzeit wichtigsten Ziel", alle Seiten würden profitieren. Im türkisch-europäischen Verhältnis fällt den Gesprächen über die Zollunion eine besondere Bedeutung zu. Bei den Verhandlungen über den Beitritt der Türkei zur EU geht derzeit nichts voran. Sogar ein offizieller Abbruch wird in Teilen der EU erwogen, seitdem Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan mit seinem autoritären Führungsstil die Türkei immer weiter von den Prinzipien der EU entfernt hat.

Andererseits hat die EU-Begeisterung in der Türkei nach Jahrzehnten schleppender Beitrittsgespräche und wiederholter Zurückweisungen nachgelassen. Zwischenzeitlich hatte Erdoğan damit gedroht, seine Bürger über einen Abbruch der Gespräche in einem Referendum entscheiden zu lassen. Den Tiefpunkt hatte das europäisch-türkische Verhältnis vor der Abstimmung über eine Präsidialverfassung in der Türkei im April erreicht.

Präsident Erdoğan überzog EU-Länder mit Nazi-Vergleichen. Wirtschaftlich betrachtet ist die Türkei eng mit der EU verwoben, der Handel hat insbesondere seit 2002, als Erdoğan seine islamisch-konservative Partei AKP an die Macht führte, stark von der Zollunion profitiert. Laut Prognosen könnte der Export in die EU um 70 Prozent steigen, sollte die Zollunion - wie von Ankara angestrebt - ausgebaut werden.

Wie sehr Ankara an einer Normalisierung der Beziehungen zur EU gelegen ist, zeigen auch Äußerungen von Premier Binali Yıldırım von Anfang der Woche. Yıldırım forderte eine Art Neustart. Den Anfang hatte Präsident Erdoğan bei einem Besuch in Brüssel Ende Mai gemacht.

Allerdings gibt es aufseiten der EU angesichts der innenpolitischen Lage in der Türkei starke Vorbehalte, auf Ankara zuzugehen. Auch die Bundesregierung sieht das so. Sie kämpft derzeit um die Freilassung von inhaftierten deutschen Journalisten, unter anderem geht es um den Welt-Korrespondenten Deniz Yücel. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, hatte kürzlich betont, vertiefte Wirtschaftsbeziehungen könne es nicht zum Nulltarif geben.

© SZ vom 23.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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