Europäische Union:Ja zum Mindestlohn für alle, Nein zum Euro für alle

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Die Reaktionen auf die ambitionierten Vorschläge des Kommissionspräsidenten Juncker fallen gemischt aus.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die Vorschläge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu Reformen in Europa sind in Deutschland unterschiedlich aufgenommen worden. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) begrüßte den Vorstoß Junckers, künftig stärker gegen Lohndumping vorzugehen und eine EU-Aufsichtsbehörde für den europäischen Arbeitsmarkt einzurichten. "Wer gemeinsame Entsenderichtlinien verabschiedet, muss auch dafür sorgen, dass die Schutzbestimmungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingehalten werden. Daher begrüße ich den Vorschlag. Über die genaue Umsetzung wird auf europäischer Ebene noch zu reden sein", sagte Nahles am Donnerstag der Süddeutschen Zeitung.

Die Vorschläge des EU-Kommissionschefs zur Ausdehnung der Euro-Zone stießen dagegen mehrheitlich auf Skepsis. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mahnte, bei der Einführung der Gemeinschaftswährung in allen EU-Staaten vorsichtig vorzugehen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach sich gegen die von Juncker angeregte rasche Aufnahme von Rumänien oder Bulgarien in den Schengen-Raum ohne Grenzkontrollen aus.

Arbeitsmarkt

Fernfahrer aus Osteuropa sind oft monatelang in Westeuropa unterwegs - ohne dass ihre Arbeitgeber die in den Lieferländern geltenden Mindestlöhne zahlen. Ähnliches gilt für andere Gewerke wie Schlachthöfe oder Pflegedienste. Das soll sich ändern. Für gleiche Arbeit am gleichen Ort soll innerhalb Europas künftig auch das gleiche Geld gezahlt werden, hat EU-Kommissionschef Juncker in seiner Rede am Mittwoch versprochen. Dazu soll die EU-Entsenderichtlinie überarbeitet und der Arbeitsmarkt in Europa künftig von einer EU-Behörde überwacht werden. "Es erscheint absurd, dass eine Bankenaufsichtsbehörde darüber wacht, ob Bankenstandards eingehalten werden, dass es aber keine gemeinsame Arbeitsmarktbehörde gibt, die für Fairness innerhalb des Binnenmarkts sorgt", sagte Juncker

Die neue Behörde soll dafür sorgen, dass die Vorschriften der Entsenderichtlinie eingehalten werden. Mittlerweile leben und arbeiten 16 Millionen Europäer in einem EU-Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, rund 1,7 Millionen pendeln täglich in einen anderen EU-Staat. Ende 2018 will die Behörde einen offiziellen Vorschlag vorlegen.

Die Behörde wird es nur geben, wenn alle Staaten und das EU-Parlament in Straßburg zustimmen. In Deutschland stößt diese Idee auf Wohlwollen. Bundesarbeitsministerin Nahles unterstütze das Ziel, dass die europäischen Vorschriften "in der Praxis besser eingehalten werden als bisher", sagte ihre Sprecherin. Umgehungen dieser Vorschriften müssten "rigoros unterbunden werden; das ist bisher noch nicht überall der Fall". Nahles Sprecherin kündigte an, das Arbeitsministerium werde sich "konstruktiv an den Verhandlungen darüber beteiligen".

Euro

Mit seinem üblichen "Ja, aber" hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Vorschläge zur Vertiefung der Euro-Zone bedacht. Grundsätzlich sei es "gut, dass er Druck und Tempo macht", kommentierte er den Vorstoß Junckers, wonach alle EU-Staaten zügig den Euro als Währung einführen sollten. Zugleich warnte der Finanzminister vor zu viel Ehrgeiz. Wie der Fall Griechenland zeige, müssten zuerst die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Euro-Zone erfüllt sein. "Klar ist, dass wir die Erfahrung gemacht haben, dass Länder erst in der Lage sein müssen, auch mit einer stabilen, harten Währung, über die sie selber nicht mehr durch Abwertung entscheiden können, wirtschaftlich auszukommen."

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz bezeichnete Junckers Vorstoß als "keine große Überraschung". Schon in den EU-Verträgen sei verankert, dass "alle Länder verpflichtet seien, den Euro einzuführen". Schulz war vor seinem Wechsel in die Bundespolitik lange Jahre Fraktionschef der Sozialisten im EU-Parlament, später auch dessen Präsident. Begeistert reagierte dagegen Bundesaußenminister Sigmar Gabriel. Juncker weise den richtigen Weg. Eine Teilung der EU in Ost und West, Nord und Süd, in Arm und Reich dürfe es auf keinen Fall geben.

Bei den kleineren Parteien stieß Juncker überwiegend auf Ablehnung. CSU, FDP, AfD und Linke lehnten die Euro-Einführung in allen EU-Staaten rundweg ab. Nur Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir sprach von "einem richtigen Ziel".

© SZ vom 15.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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