Europäische Union:Innenminister vor Einigung zu Flüchtlingen

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Offenbar schwindet der Widerstand gegen die Quoten-Regel. Brüssel will am Montag eine Entscheidung treffen.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Die Türkei wird nicht auf der Liste der sicheren Herkunftsstaaten stehen, über welche die EU-Innenminister bei ihrem Sondertreffen am Montag entscheiden werden. Einige Länder hätten starke Bedenken geäußert angesichts der jüngsten Ereignisse im Inneren des EU-Beitrittskandidaten, sagte ein hoher EU-Diplomat am Freitag. Er verwies auf die Lage in den Kurdengebieten und Probleme etwa bei der Pressefreiheit, die der EU sehr wichtig sei. Die EU-Kommission möchte die Türkei zusammen mit den Ländern des westlichen Balkan auf die Liste setzen lassen, um die Verfahren von Asylbewerbern aus diesen Ländern zu beschleunigen. Hinsichtlich der Balkanstaaten ist mit einer Einigung zu rechnen.

Stark umstritten bleibt jedoch der Kommissionsvorschlag, 120 000 Flüchtlinge aus Italien, Griechenland und Ungarn anhand einer verbindlichen Quote in andere EU-Staaten umzuverteilen und auf längere Sicht einen permanenten Verteilungsschlüssel für Notfälle zu etablieren. Ungarn, dem 54 000 Flüchtlinge abgenommen werden sollen, will sich dem Diplomaten zufolge nicht an der Umsiedlung beteiligen. Eine Bestätigung der ungarischen Regierung war bis zum Abend nicht zu erhalten. Andere bisher noch skeptische Regierungen bewegen sich inzwischen offenbar. Die Innenminister suchten nach einer "konstruktiven Lösung", so der Diplomat. Umstritten sei auch der Plan, sich durch eine Ausgleichszahlung von 0,002 Prozent der Wirtschaftsleistung der Verteilung entziehen zu können. Die osteuropäischen Staaten begrüßten diese Klausel, viele andere lehnten sie ab. Sie sei "unmoralisch".

In Brüssel sucht man nach einer Quoten-Formulierung, die alle unterzeichnen können

Über die neuen Umverteilungspläne werden die Minister am Montag höchstens eine "politische", aber noch keine formelle Entscheidung treffen. Zunächst muss das Europaparlament angehört werden. Man will aber verhindern, dass die Sache, wie so oft, an die Staats- und Regierungschefs weitergereicht wird, die sich regulär Mitte Oktober treffen.

Wie es an anderer Stelle in Brüssel hieß, versucht die luxemburgische Ratspräsidentschaft zu vermeiden, dass sich eine Regierung am Montag zwischen einer verpflichtenden und einer freiwilligen Teilnahme an der Umverteilung entscheiden muss. Man gedenke nicht, sich in "theoretischen Diskussionen" zu verlieren. Viele Osteuropäer wollen eine Verpflichtung auf keinen Fall akzeptieren. Bisher sind nicht einmal alle - freiwilligen - Zusagen für die 40 000 Flüchtlinge eingegangen, auf deren Umverteilung sich die EU im Juni verständigt hatte. Das soll bis Ende des Jahres geschehen.

Die Länder der Visegrád-Gruppe - Tschechien, Slowakei, Ungarn und Polen - bekräftigten am Freitag ihren Widerstand gegen eine feste Quote. EU-Ratspräsident Donald Tusk drohte, er werde noch im September einen EU-Sondergipfel einberufen, falls er am Montag keine konkreten Anzeichen von Solidarität und Einigkeit entdecke.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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