Europäische Union:Ein Tag Arbeit reicht nicht

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Brüssel will den Missbrauch von Arbeitslosenunterstützung unterbinden und dazu die Hilfe für EU-Ausländer neu regeln. Dabei geht es um die Frage, wie lange man in einem Land beschäftigt sein muss, um Anspruch darauf zu erwerben.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Die EU-Kommission will den missbräuchlichen Bezug von Arbeitslosenhilfe im EU-Ausland - eine der Formen des sogenannten Sozialtourismus - stärker unterbinden. Wie die für Soziales zuständige Kommissarin Marianne Thyssen am Dienstag in Straßburg sagte, soll die Verordnung, welche die europäischen Sozialsysteme koordiniert, in diesem Sinne geändert werden. Bisher braucht ein EU-Bürger nur einen einzigen Tag in einem anderen Mitgliedstaat gearbeitet zu haben, um Anspruch auf ein Arbeitslosengeld in voller Höhe zu erwerben. Künftig muss er dafür nach dem Willen der Kommission mindestens drei Monate in dem Land beschäftigt gewesen sein. Fast die Hälfte der ausländischen Bezieher von Arbeitslosenhilfe haben laut Kommission eine kürzere Zeit in dem betreffenden Land verbracht. Das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten müssen dem Vorschlag noch zustimmen. Die Verordnung sichert nur den Schutz von Ansprüchen bei Mobilität in der EU, ersetzt aber nicht einzelstaatliche Regeln zur Frage, wer versichert wird und welche Leistungen gewährt werden.

Menschen auf Jobsuche sollen länger Hilfe von zu Hause erhalten

Wer im Ausland künftig kein Geld mehr bekommt, soll die Arbeitslosenunterstützung des Heimatlands beziehen können. Um EU-Bürger auf Jobsuche im Ausland zu entlasten, sollen sie künftig länger als bisher auf Hilfe zählen können, nämlich sechs statt drei Monate lang. Für Grenzgänger soll das Land für die Zahlung von Arbeitslosengeld zuständig sein, in dem sie die vergangenen zwölf Monate gearbeitet haben, auch wenn sie mindestens einmal pro Woche in ihr Heimatland gereist sind. Ein weiteres Ziel der Revision ist es, im Ausland lebenden EU-Bürgern den Bezug von Pflegehilfe zu erleichtern. Betroffen sind laut Kommission etwa 80 000 Menschen.

Was das Kindergeld betrifft, soll es bei der bisherigen Regelung bleiben, die große, wirtschaftsstarke EU-Länder gerne ändern möchten. Demnach ist es egal, wo sich das Kind eines im Ausland lebenden EU-Bürgers tatsächlich aufhält. Entscheidend ist der Wohnort des antragstellenden Elternteils. Das führt dazu, dass etwa Deutschland jährlich 200 Millionen Euro vor allem in osteuropäische Länder zahlt. Vor dem Brexit-Referendum hatte der britischen Premierminister David Cameron eine Indexierung ausgehandelt. So sollte für Nachwuchs, der noch in der Heimat lebt, nur ein an die dortigen Lebenshaltungskosten angepasster Betrag überwiesen werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach den Verhandlungen angekündigt, dass Deutschland davon "Gebrauch machen" könnte. Thyssen sagte, sie verstehe den Wunsch, es spreche aber vieles dagegen; unter anderem wäre es überaus kompliziert, eine solche Regelung umzusetzen und zu überprüfen. Es gehe auch nur um weniger als ein Prozent der Kindergeldleistungen in der EU.

© SZ vom 14.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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