Europa-Parteitag der Grünen:Ernster als die Konkurrenz

Lesezeit: 1 min

Für die Grünen ist die Europawahl wichtiger als für andere Parteien. Die Hoffnungen liegen auf einem Globalisierungskritiker und einer Menschenrechtlerin - doch den größten Applaus erhalten Andere.

Daniel Brössler, Dortmund

Zwei Männer haben auf dem Europa-Parteitag der Grünen auffallend starken Beifall geerntet: Jean-Claude Juncker, der luxemburgische Ministerpräsident aus Luxemburg und Tarek Al-Wazir, der erfolgreiche Grüne aus Hessen. Junckers Aufruf zum radikalen Europäertum und Al-Wazirs Siegerlächeln ergeben ganz offensichtlich eine Mischung, die in schwierigen Zeiten das Herz der grünen Basis wärmt.

Hoffnungsträger der Grünen für die Europawahl: Sven Giegold, Mitbegründer der Organisation Attac. (Foto: Foto: dpa)

Drei Tage nehmen sich die Grünen, um in Dortmund ein Programm und eine Kandidatenliste für die Europawahlen im Juni aufzustellen. Bei anderen Parteien geht das schneller, was die Grünen gerne als Hinweis werten, dass sie Europaparlament und Europäische Union ernster nehmen als die Konkurrenz.

Innbrünstig versichern sie, die Europawahl sei mehr für sie als eine Probeabstimmung vor der Bundestagswahl. Mag sein, aber sie ist eben auch eine Probeabstimmung - für die Grünen im Superwahljahr 2009 sogar eine ziemlich wichtige. Wissen sie doch, dass bei den Landtagswahlen im Saarland, in Thüringen und in Sachsen eher keine Triumphe zu feiern sein werden.

Abgesehen von der Umwelt und Atom gibt es wenige Themen, in der sich die Grünen in der Vergangenheit mit ihrer Wählerschaft so eins wussten wie in der Europa-Begeisterung. Bei der Wahl 2004 errangen sie 11,9 Prozent - ein Resultat, an dem sie sich nun messen werden lassen müssen.

Seit 2004 aber ist viel passiert. Die quälende Weg zum Lissabon-Vertrag hat die Union viel Sympathie gekostet, die Finanz- und Wirtschaftskrise verstärkt Ängste vor der Globalisierung. Die Grünen sind deshalb gut beraten gewesen, Verstärkung anzufordern. Sie wählten den Attac-Mitbegründer Sven Giegold auf Platz 4 und die Menschenrechtlerin Barbara Lochbihler von Amnesty International immerhin im zweiten Anlauf auf Platz 5 der Kandidatenliste.

Gerade von Giegold versprechen sich die Grünen eine Menge. Er soll helfen, der Linkspartei und ihrer pauschalen Globalisierungskritik Paroli zu bieten. Reinhard Bütikofer wiederum, der Ex-Parteichef und frisch gekürte Spitzenkandidat für die Europawahl, schwärmt davon, die Krise eröffne Chancen für das "grüne Gesellschaftsmodell" und nimmt Barack Obama zum Kronzeugen. In der Tat könnte es der Partei gelingen, ihre Wählerschaft im Juni stärker zu mobilisieren als das anderen Parteien in Zeiten der Europaverdrossenheit gelingt.

Gut drei Monate vor der Bundestagwahl wäre das den Grünen natürlich willkommen. Allerdings gilt auch: Eine geglückte Generalprobe garantiert noch keine gelungene Aufführung.

© sueddeutsche.de/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: