Europa:Dümmer als ein Frosch

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Während sich die Welt gefährlich erhitzt, verharrt die EU in törichter Uneinigkeit. Sie bewegte sich nicht beim Brexit-Konflikt und nicht in der Flüchtlingspolitik. So werden die Rechtspopulisten stärker. Proeuropäern bleibt nur die Hoffnung.

Von Stefan Ulrich

Vor einiger Zeit schaltete Greenpeace in den Kinos einen Spot, der auf den Klimawandel aufmerksam machen sollte. Zu sehen war ein Frosch in einem Glas mit kühlem Wasser. Wurde kochendes Wasser hinzugeschüttet, sprang der Frosch heraus. Wurde das Wasserglas dagegen langsam erhitzt, blieb der Frosch sitzen, bis er einging. Der Kurzfilm endete mit der Frage, ob die Menschheit klüger sei als der Frosch.

Der eingängige Spot hatte einen Nachteil: Kein echter Frosch ist so dumm, im heiß werdenden Wasser sitzen zu bleiben. Europa dagegen schon. Dabei erfordert nicht nur die Klimaerwärmung mehr entschlossenes gemeinsames Handeln. Auch viele andere Brandherde heizen den Europäern ein: die feindselige Haltung des US-Präsidenten Donald Trump. Ein heraufziehender Welthandelskrieg. Der aggressive globale Anspruch des neuerdings wieder totalitär regierten China. Oder ein Putin-Russland, das mit seiner mörderischen Politik in Syrien immer neue Flüchtlinge schafft.

Die Zukunft wird keine Abkühlung bringen, im Gegenteil. Die nächste Rezession der Weltwirtschaft könnte die Euro-Zone erneut zum Wanken bringen und das überschuldete Italien in den Bankrott treiben. Digitalisierung und Robotisierung werden Abermillionen klassische Jobs wegfallen lassen, gerade auch in Europa. Die Bevölkerung in Afrika wird dramatisch wachsen, mit kaum vorhersehbaren Folgen für die Migrationspolitik.

Doch was taten die Staats- und Regierungschefs diese Woche bei ihrem Gipfeltreffen in Salzburg? Sie bewegten sich nicht. Der Brexit-Konflikt mit Großbritannien wird deshalb weiter vor sich hin köcheln und dabei Unmengen politischer Energie vergeuden. Und in der Flüchtlingspolitik ist nicht einmal im Ansatz eine umfassende Einigung der verbleibenden 27 EU-Staaten zu erahnen. Das wird auch so bleiben. Denn einige Staats- und Regierungschefs profitieren innenpolitisch enorm von der Krise und den damit verbundenen Überfremdungsängsten vieler Bürger. Der Ungar Viktor Orbán etwa, der die wirtschaftlichen Vorteile der EU gerne mitnimmt und zugleich zu Hause hemmungslos gegen Europa hetzt. Oder der Italiener Matteo Salvini, der brutal mit Einwanderern umspringt und so mit seiner rechtsradikalen Lega zur führenden Kraft Italiens geworden ist. Warum sollten Orbán und Salvini die europäische Flüchtlingskrise lösen, wo sie sich doch so prächtig daran mästen?

Schlimmer noch: Es geht den Orbáns und Salvinis, den Kaczyńskis und Le Pens längst nicht nur darum, Flüchtlinge und Migranten abzuwehren. Sie wollen ein anderes Europa, in dem die Nationalstaaten wieder alles gelten und die gemeinsame EU fast nichts. Es ist das Europa der Vorkriegszeiten.

Was tun? Die Hoffnung, nach dem Wahlsieg Emmanuel Macrons in Frankreich sei die autoritär-nationalistische Welle gebrochen, hat sich zerschlagen. Die Rechtspopulisten werden immer stärker. Den proeuropäischen Kräften bleibt derzeit nichts anderes übrig, als so viel wie möglich von der Europäischen Union zu bewahren sowie auf bessere Zeiten zu hoffen. Und: Sie sollten sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass eine Neugründung Europas notwendig werden könnte. Mit denjenigen Ländern, die wirklich dabei sein wollen.

© SZ vom 22.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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