EU und USA:Laptops im Frachtraum

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Bald könnten die USA auf Direktflügen aus Europa Computer und Tablets in Flugzeugkabinen verbieten. Die Luftverkehrsbranche befürchtet Einbußen in Milliardenhöhe, Brüssel wünscht sich eine "Entschärfung".

Von Jens Flottau und Thomas Kirchner, Berlin/Brüssel

Womöglich bald noch zeitraubender: Sicherheitscheck am John F. Kennedy Airport in New York. (Foto: Andrew Burton/Reuters)

Die Luftverkehrsbranche rechnet mit wirtschaftlichen Schäden in Milliardenhöhe, sollten die USA künftig Laptops und Tablet-Computer in Flugzeugkabinen verbieten, und fordert deswegen Alternativen. Der Branchenverband International Air Transport Association (Iata) bezifferte allein die Kosten für Passagiere auf jährlich eine Milliarde Dollar, vor allem weil diesen wertvolle Arbeitszeit verloren ginge und sie deutlich längere Reisezeiten in Kauf nehmen müssten. Der Verband rechnet auch mit langen Verspätungen, hohen Kosten für die Fluggesellschaften und mit einer geringeren Nachfrage, weil Geschäftsreisende unter diesen Umständen lieber auf Flugreisen verzichten.

Man wolle verhindern, heißt es in Brüssel, dass die Amerikaner unilateral entscheiden

Schon seit März dürfen Laptops und größere elektronische Geräte auf Flügen von acht muslimischen Ländern in die USA nicht mehr in die Kabine mitgenommen werden. Sie werden seither im Frachtraum befördert. Grund ist die Befürchtung, dass in ihnen Sprengsätze versteckt sein könnten. Noch ist nicht offiziell beschlossen, dass der Elektro-Bann auf Direktflüge in die EU ausgeweitet wird. Es sei aber "wahrscheinlich", dass es dazu kommen werde, bestätigte ein Sprecher des amerikanischen Department of Homeland Security (DHS). Vertreter der EU und der USA trafen sich am Mittwochnachmittag auf europäische Einladung in Brüssel, um über die geplanten Maßnahmen zu diskutieren. Teilnehmer waren auf EU-Seite Innenkommissar Dimitris Avramopoulos und Transportkommissarin Violeta Bulc. Auch die Mitgliedstaaten redeten mit, Deutschland entsandte Innenstaatssekretärin Emily Haber. Die USA schickten die Vizechefin des DHS, Elaine Duke. Es gab, wie erwartet, keinerlei Entscheidung, sondern lediglich einen Austausch von Informationen.

Beide Seiten wollten weiter eng zusammenarbeiten und sich kommende Woche in Washington abermals treffen, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung. Die Entscheidung, ob der E-Bann auf Europa ausgeweitet werde, würden die USA allerdings völlig unabhängig von weiteren Gesprächen mit der EU treffen, betonte ein hoher Beamter der US-Regierung. Dabei richte man sich allein nach der Bedrohungslage. Heimatschutzminister John Kelly wäge noch ab und werde "in den kommenden Tagen oder auch Wochen" entscheiden. Das Gespräch mit der EU bezeichnete der Beamte als "robusten Dialog". Man habe sich auf einiges verständigt, "über anderes müssen wir noch reden". Die US-Regierung sei sich der Folgen eines Banns für die Passagiere und die Fluggesellschaften bewusst, sagte der Beamte. "Aber die Sicherheit der Fluggäste überlagert alle anderen Überlegungen." Der Regierungsvertreter versicherte, die USA hätten der EU schon im März zu verstehen gegeben, dass sie eine Ausweitung des Banns auf Flüge aus der EU erwögen. "Wir sprechen seit Wochen und Monaten mit den Europäern über das Thema." EU-Politiker stellen den Informationsfluss anders dar. Demnach erfuhren sie von dem Plan der USA im Wesentlichen erst in der vergangenen Woche. Danach sei man "sofort aktiv geworden", sagte Avramopoulos am Dienstag. Er und Bulc hätten zunächst einen Brief nach Washington geschickt. Am Freitag sei es dann zu einem Telefonat mit Minister Kelly gekommen. Nach dem Treffen in Brüssel ist nicht damit zu rechnen, dass es den Europäern gelingen wird, die USA von ihrem Plan abzubringen. Die Regierung in Washington ist offenbar bereit, notfalls "unilateral" zu entscheiden, also ohne Einverständnis des Verbündeten. Das Einzige, was sich die EU erhoffen darf, ist wohl eine Art kleineres Entgegenkommen seitens der USA, wie auch immer das aussehen könnte.

Die Luftfahrtbranche bleibt vorerst skeptisch. "Wir sind nicht besonders optimistisch", sagte Iata-Chef Alexandre de Juniac in Berlin. Das Verbot könnte schon in den nächsten Tagen umgesetzt werden. Der Weltverband der Fluggesellschaften kritisiert das Vorhaben scharf. "Wir sind besorgt, dass der Bann keine gute Maßnahme ist und neue Sicherheitsrisiken schafft", sagte de Juniac. "Die Maßnahme ist der Bedrohung nicht angemessen."

Laut Iata wären 390 Flüge pro Tag betroffen. Jährlich reisen etwa 31 Millionen Passagiere von Flughäfen in Europa in die USA, etwa drei Millionen davon steigen in Europa um, kommen aber ursprünglich aus Asien, Afrika oder dem Nahen Osten.

De Juniac fordert in einem Brief an US-Heimatschutzminister Kelly und EU-Kommissarin Bulc, alternative Schritte zu beschließen, die weniger Einschränkungen brächten, statt den Bann massiv auszuweiten. Dazu gehöre unter anderem, mehr Geräte bei der Sicherheitskontrolle und bei Nachkontrollen einzusetzen, die auch kleine Mengen Sprengstoff entdecken. Auch könnten Laptops und Tablets am Flughafen von Experten danach untersucht werden, ob sie baulich verändert worden seien. Speziell geschulte Mitarbeiter könnten eingesetzt werden, um Passagiere, die sich auffällig verhalten, zu identifizieren.

Die Luftverkehrsbranche versucht auch deswegen, nun schnell gegenzusteuern, weil sie befürchtet, dass ein Laptop-Verbot von Dauer sein könnte. Im März, als die ersten Einschränkungen für Flughäfen im Nahen Osten bekannt wurden, wurde der Branchenverband kalt erwischt, niemand hatte die nahende Entscheidung kommen sehen. Dieses Mal wird, so de Juniac, vor einer Entscheidung wenigstens kommuniziert. Ohne den Einspruch seitens der EU und der Industrie wäre der Bann seiner Ansicht nach schon längst umgesetzt.

Viele Einzelfragen sind weiter ungeklärt. Niemand weiß, ob die vielen Laptops künftig in einem einzelnen, möglichst gepanzerten Container transportiert werden sollen. Unklar ist auch noch, wann und wie die Geräte eingesammelt und an die Passagiere zurückgegeben werden. Auch die Transportversicherung müsste neu geregelt werden. Ungewiss ist auch, ob nun auch andere Länder den USA folgen. Bislang hat nur Großbritannien Einschränkungen für Flüge aus dem Nahen Osten beschlossen, diese sind allerdings nicht so weitgehend wie die der USA.

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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