EU und Türkei:Zwischen Nähe und Distanz

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Vertreter der EU sind uneins über den richtigen Umgang mit der Türkei. Die Strategie der Normalisierung stößt zunehmend auf Widerstand.

Von Daniel Brössler, Luxemburg

Es war eine Begegnung, die an jedem anderen Tag wohl deutlich stärker beachtet worden wäre. Am 25. Mai, als gerade US-Präsident Donald Trump in Brüssel weilte, trafen sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk auch mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan. Von einer "guten, konstruktiven Atmosphäre" war im Anschluss die Rede, was zum Signal passte, das sich offenbar beide Seiten von dem Treffen versprachen: eine Rückkehr zur Normalität in dem Verhältnis, das seit dem Putschversuch und der Verhängung des Ausnahmezustands in der Türkei zerrüttetet ist. In einem Interview mit der türkischen Zeitung Sabah nannte der EU-Botschafter in der Türkei, Christian Berger, das Treffen einen "wichtigen Ausgangspunkt". Es gebe nun ein besseres Verständnis für "unsere Probleme und Missverständnisse".

Die Strategie der Normalisierung stößt allerdings zunehmend auf Widerstand. Es sei vorerst unmöglich, die Beziehungen zu Ankara zu normalisieren, protestierte der Luxemburger Jean Asselborn beim Treffen der EU-Außenminister am Montag. Unterstützt wurde er von Belgien und den Niederlanden. Empört ist Asselborn unter anderem über den Fall von Taner Kiliç, dem Chef von Amnesty International in der Türkei, der wegen angeblicher Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung verhaftet worden ist. Solange Menschen nur wegen des bloßen Verdachts einer Nähe zum Prediger Fethullah Gülen "eingekerkert" würden, könne es keine Rückkehr zur Normalität geben, sagte Asselborn. Auch der von der EU-Kommission angestrebte Ausbau der Zollunion komme nicht infrage. Einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen befürworte er aber nicht.

Eine formelle Suspendierung der Beitrittsverhandlungen forderte am Dienstag der Auswärtige Ausschuss des EU-Parlaments. Die geplanten Verfassungsänderungen seien mit den Kriterien für eine EU-Mitgliedschaft nicht in Einklang zu bringen, sagte die zuständige Berichterstatterin, die niederländische Sozialdemokratin Kati Piri. Der Ausnahmezustand habe "unverhältnismäßig negative Auswirkungen auf die türkische Gesellschaft". Die willkürliche Verhaftung Tausender Bürger einschließlich Abgeordneter und Bürgermeister gebe "Anlass zu größter Sorge". Dennoch sprechen sich die Abgeordneten für einen "offenen und konstruktiven Dialog" mit der Türkei aus.

© SZ vom 21.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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