EU und Trump:Nicht klagen, tun

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Europa zeigt sich hilflos im Umgang mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump. Aber die EU braucht unbedingt Tatkraft, denn sie hat selbst einige große Probleme, die sie bald lösen muss.

Von Stefan Kornelius

Zwischen Wille und Wahrnehmung haben die politischen Köpfe der Europäischen Union schon immer viel Leerraum gelassen. Das wurde besonders in den letzten Jahren zum Problem, in denen die Union von vielen Krisen gebeutelt wurde: Euro, Ukraine und nun der Brexit - die Gemeinschaft unterliegt im Machtkampf mit den Nationalstaaten. Das zerstört den Nimbus der EU. So sieht es zumindest ein nicht geringer Teil der Bürger, weshalb schwere Zeiten angebrochen sind für die Gemeinschaftsidee.

In den wenigen Äußerungen zur EU hat Donald Trump keinen Hehl aus seiner Geringschätzung für das Staatenbündnis gemacht. Das muss man nicht für bare Münze nehmen; für die bald beginnende Präsidentschaft gilt ja: Alles fließt. Und dennoch ist es wahrscheinlich, dass sich diese Geringschätzung als ein Motiv erhält. Man darf es schon mal als saftigen Affront verbuchen, dass Trump den Brexit-Architekten Nigel Farage als ersten ausländischen Politiker überhaupt empfangen hat.

Was wiegt eine Gemeinschaft? Europa traut der Waage nicht

Wer diesem Symbolismus etwas entgegenhalten will, hat zwei Möglichkeiten: Entweder er zetert und jammert und wütet. Oder er handelt. Europas Außenminister haben ein bisschen gejammert, als sie sich über den Neuen unterhielten. Diese posttraumatischen Besinnungsrunden haben immer den Hauch einer Notstandsversammlung - ein bisschen Selbstvergewisserung, ein bisschen Trotz. Wie hilflos diese Geste ist, zeigt ja gerade die Verweigerung der Trump-Claqueure Großbritannien und Ungarn. Selbst der französische Minister sah offenbar keinen größeren Nutzen in einem Klage-Kolloquium.

In die Kategorie hilflose Symbolik fällt auch die Beschimpfung des Kandidaten aus dem Kabinettssessel heraus. Frank-Walter Steinmeier nannte Trump einen Hassprediger, Sigmar Gabriel sprach vom Kandidaten als "Vorreiter einer neuen autoritären und chauvinistischen Internationalen". All das sind berechtigte Meinungen (die von vielen Kommentatoren geteilt werden). Wenn sie aber aus einem Ministermund kommen, mutieren sie zum Zeichen der Hilflosigkeit, zur Geste des Zorns.

Hilflosigkeit und Zorn aber gibt es in Europa bereits genug. Was fehlt ist: Tatkraft und Freude - eine Freude, die sich einstellt, wenn man ein Problem gemeinsam löst. Drei große Probleme hat dieses Europa: die Währung, die Sicherheit und die Flüchtlinge. Alle drei Probleme kann kein Ungarn, kein Großbritannien und auch kein Deutschland für sich alleine lösen. Dennoch bringt dieses Europa nicht einmal die Kraft auf, diese systemgefährdenden Krisen als gemeinsame Bedrohung anzugehen. Der Wunsch nach Rückzug, nach Kleinteiligkeit ist größer als der gemeinsame Gestaltungswille.

Von einem US-Präsidenten wünscht man sich mehr Verständnis für die historische Relevanz der Europäischen Union und für die Schwierigkeiten, die 28 Staaten im Synchrontanz miteinander haben. Wer aber will Trump das beibringen, wenn nicht mal die Europäer an die Bedeutung ihrer Gemeinschaft glauben?

© SZ vom 15.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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