EU-Pläne der CSU:Falsches Spiel mit antieuropäischen Reflexen

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Sitzung des Bayerischen Landtags zum Mitwirkungsrecht in EU-Angelegenheiten. (Foto: Joerg Koch/dapd)

Sie sahnen Privilegien ab, erfinden irre Regeln und mischen sich überall ein: Die Vorurteile gegenüber EU-Beamten sind der Boden, auf dem die populistische Versuchung gedeiht. Die CSU ist dieser Versuchung nun wieder einmal erlegen. Dabei kann die EU momentan nichts weniger gebrauchen als populistisches Gegacker.

Ein Kommentar von Martin Winter, Brüssel

Die Beliebtheit der Eurokraten ist zwar nie erfragt worden, aber man darf getrost annehmen, dass die Brüsseler Beamten irgendwo hinter den Journalisten und vor den Huren rangieren. Die Struktur der Vorurteile ist solide: Die in Brüssel zahlen sich hohe Gehälter, sahnen bei Privilegien ab, erfinden irre Regeln, mischen sich überall ein und haben keine Ahnung vom normalen Leben in Europa. Das ist der Boden, auf dem die populistische Versuchung gedeiht.

Der ist, was wenig wundert, nun wieder einmal die CSU erlegen. Das könnte man als provinzielle Folklore im Vorwahlkampf abtun, wenn die Europäische Union nicht gerade in einer gewaltigen Krise steckte. Aus der aber findet sie nicht heraus, wenn sie die falschen Schlachten schlägt. Der Brüsseler Apparat bildet im Kontext der europäischen Probleme nur einen kleinen Nebenkriegsschauplatz. Dass sich darauf dennoch Populisten aller Couleur tummeln, daran ist die europäische Bürokratie freilich nicht ganz unschuldig.

Die meisten Vorwürfe gegen die Beamten sind zwar falsch. Sie sind im Schnitt hochqualifiziert, arbeiten meist länger als ihre Kollegen in einem bayrischen Landratsamt und ruhen sich nicht auf vom Steuerzahler finanzierten Luxussofas aus.

Aber die fatale Neigung der Kommission, sich rechts und links Kompetenzen zu greifen und Dinge regulieren zu wollen, die man getrost in den Händen der Mitgliedsstaaten lassen könnte, liefert immer einen guten Vorwand für eine Attacke gegen die da in Brüssel. Und wenn die Kommission sich dann auch noch beim Sparen stur stellt, dann ist es leicht, sie zu einem Hauptproblem zu stilisieren - sehr zum Schaden Europas.

Denn eines kann Europa zur Zeit gar nicht gebrauchen: populistisches Gegacker. Aus ihrer Krise kommt die EU nämlich nur, wenn sie besonnen ihre Strukturen repariert - dort, wo sie sich als zu schwach oder gar falsch konstruiert erwiesen haben, also etwa in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Diese Reparaturarbeiten sind kompliziert und sie brauchen Zeit. Der Umbau Europas könnte am Ende gar erfordern, dass der Zuschnitt und die Aufgaben der Kommission in Brüssel verändert werden.

Botschaft an die CSU: Kleiner dürfte der Brüsseler Apparat dabei kaum werden. Er ist schon heute nicht so groß, wie die Populisten ihn gerne behaupten. Wenn die EU aber weiter zusammen rückt, dann braucht sie eine effiziente und starke Zentrale, um ihre täglichen Geschäfte zu verwalten.

Wer die Probleme Europas auf die Bürokratie zusammenschnurren lässt, der ist nicht wirklich an einer Reform der EU interessiert. Der wird sich den Verdacht gefallen lassen müssen, mit antieuropäischen Reflexen zu spielen. Der behindert damit nicht nur eine Reformdebatte, die auch ohne populistischen Ballast schon schwer genug ist. Sondern der ramponiert so ganz nebenbei das Ansehen der europäischen Verwaltung. Hochqualifizierte Absolventen könnten Brüssel jedenfalls künftig meiden. Auch so kann man der EU schaden.

© SZ vom 28.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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