EU-Personal:Eine, die auffällt

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Margrethe Vestager, 50, hat es als EU-Wettbewerbskommissarin mit den großen Tech-konzernen aufgenommen – nun will sie das Rennen um den Job des Kommissionschefs gewinnen. (Foto: Olivier Matthys/AP)

Margrethe Vestager steigt ins Rennen um Juncker-Nachfolge ein.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Margrethe Vestager versucht zunächst so zu tun, als ginge es nur um das normale Geschäft. Und so steht die EU-Wettbewerbskommissarin am Mittwoch im Pressesaal der Brüsseler Behörde und verhängt die nunmehr dritte Milliardenstrafe gegen Google. Es dauert gut 20 Minuten, bis sie den Fall erklärt hat. Vestager tut dies in einfachen Worten, doch ganz bei der Sache scheint sie nicht zu sein. Die Dänin wirkt bei einigen Fragen etwas unbeholfen, ihre Antworten sind nicht so präzise wie gewohnt. Das mag daran liegen, dass es nicht nur Fragen zu Google gibt, sondern auch zu ihrer eigenen Zukunft. Vestager will nämlich in das Rennen um die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einsteigen. An diesem Donnerstag werden die liberalen Staats- und Regierungschefs der EU ihr siebenköpfiges Spitzenteam für die Europawahl nominieren. Und eine ragt dabei deutlich heraus: Margrethe Vestager.

Die 50-Jährige hat in Brüssel das geschafft, was man von den meisten ihrer Kommissarskollegen nicht behaupten kann: Sie fällt auf. Vestager hat sich mit den mächtigsten Konzernen der Welt angelegt, mit Google und Facebook, Apple und Amazon. Die Dänin hat es erreicht, dass die EU nicht mehr wehrlos erscheint gegenüber den Tech-Giganten aus dem Silicon Valley. Sie steht für ein Europa, das für seine Interessen kämpft. Als Kommissarin für Wettbewerb muss sie das schützen, was die EU noch immer am stärksten zusammenhält: den Binnenmarkt.

Die versammelten Reporter wollen also von Vestager wissen, welche Chancen sie sich bei der Europawahl ausrechnet. Doch die erste Frage dazu ignoriert sie einfach. Die Kommissarin spricht lieber über das Wettbewerbsrecht im digitalen Zeitalter. Lange hält sie das allerdings nicht durch. Schon bei der zweiten Frage nach ihrer politischen Zukunft muss sie ihre Verweigerungshaltung aufgeben. Und so sagt sie: "Ich werde in den kommenden Monaten aktiv sein, um die Menschen dazu zu bringen, an der Europawahl teilzunehmen." Bislang überlege nur einer von zwei EU-Bürgern, über Europas Zukunft mitzubestimmen. "Lasst uns die Wahl zu einem Fest der Demokratie machen", sagt Vestager.

Das klingt schon fast nach Wahlkampf. Doch der Pressesaal der EU-Kommission ist dafür die falsche Bühne. Die Nominierung des liberalen Spitzenteams findet am Donnerstag statt. Dann wird die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (Alde) Vestager zusammen mit sechs weiteren Politikern vorstellen. Mit dabei sind Alde-Fraktionschef Guy Verhofstadt, FDP-Generalsekretärin Nicola Beer, die slowenische EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc, die frühere italienische Außenministerin Emma Bonino, die Ungarin Katalin Cseh und der Spanier Luis Garicano. Sie alle wollen es insbesondere mit den Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, und dem Sozialdemokraten Frans Timmermans aufnehmen. Vestager ist allerdings keine "Spitzenkandidatin", weil Alde dieses Prinzip grundsätzlich ablehnt.

Vor allem die liberalen Premierminister aus den Benelux-Staaten pochen wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vielmehr darauf, bei der Besetzung europäischer Spitzenposten das letzte Wort zu haben. Wer auf Juncker folgt, wird auch davon abhängen, an wen die anderen EU-Top-Jobs vergeben werden. An der EVP wird bei diesem Postengeschacher kein Weg vorbeiführen. Die Christdemokraten dürften wieder die stärkste Fraktion im EU-Parlament stellen. Sollte es ihrem Spitzenkandidaten Weber allerdings nicht gelingen, die Staats- und Regierungschefs von sich zu überzeugen und eine Mehrheit im EU-Parlament hinter sich zu versammeln, könnte Vestagers Stunde schlagen. Zusammen mit Macrons En-Marche-Bewegung könnten die Liberalen eine Allianz mit Grünen, Sozialdemokraten und anderen proeuropäischen Kräften eingehen, um Weber auszubooten.

© SZ vom 21.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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