EU ohne Regelwerk:"Wir können das nicht beschließen"

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Der EU-Gipfel beginnt heute, doch die Staatengemeinschaft muss weiter auf ein umfassendes Regelwerk warten, mit dem sie dramatische Situationen meistern kann. Das große Krisen-Paket ist trotz Griechenland-Misere damit vorläufig gescheitert.

Cerstin Gammelin und Martin Winter, Brüssel

Die Europäische Union muss weiter auf ein umfassendes Regelwerk warten, mit dem sie künftig dramatischen Krisen vorbeugen und sich gegen deren Folgen rüsten kann. "Wir können das heute noch nicht formal beschließen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstagnachmittag bei ihrer Ankunft in Brüssel. Am Abend kamen die 27 EU-Chefs zu einem zweitägigen Gipfel zusammen.

Dunkle Wolken über Brüssel: Der Beschluss eines umfassenden Regelwerks für die Europäische Union ist aufgeschoben. (Foto: dpa)

Unmittelbar zuvor hatte das Europäische Parlament eine Abstimmung über das komplette Regelwerk, mit dem die Aufsicht über die Haushalte und die Bestrafung von Sündern verschärft werden soll, auf Anfang Juli verschoben. Den Volksvertretern gehen die bisherigen Beschlüsse nicht weit genug. Sie bestehen auf automatischen Sanktionen, um zu verhindern, dass die Regierungen weiterhin das Verhängen von Strafen aus politischer Rücksichtnahme blockieren. "Ein klarer Verstoß gegen die Regeln muss künftig automatisch bestraft werden", sagte Markus Ferber, Chef der CSU-Gruppe im EU-Parlament. Die meisten Länder haben schon einmal gegen die Regeln des Stabilitätspaktes verstoßen, bestraft wurde noch niemand.

Überschattet von der griechischen Krise

Ohne die Einigung auf ein verschärftes Sanktionsregime scheitert auch das große Krisen-Paket, zumindest vorläufig. Es enthält Instrumente wie den verschärften Stabilitätspakt und einen Pakt zur Verbesserung der Wirtschaftsfähigkeit, um Krisen vorzubeugen. Für den Fall, dass Partner doch in finanzielle Nöte geraten, soll ein permanenter Rettungsfonds (ESM) eingerichtet werden. Der Fonds soll ab 1. Juli 2013 für finanzielle Notfälle bereitstehen. Er löst den bisherigen Rettungsschirm EFSF ab. Das Bundeskabinett will sich auf seiner Sitzung in der letzten Woche vor der Sommerpause mit dem ESM beschäftigen, im Herbst soll der Bundestag beraten. Die Beratungen sollen möglichst bis Ende des Jahres abgeschlossen werden. Um diesen Zeitplan einhalten zu können, müssen zunächst die 27 EU-Länder den Beschluss unterschreiben.

Überschattet wurde der Gipfel von der griechischen Krise. Bundeskanzlerin Angela Merkel traf sich vorab mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy, Griechenlands Premier Giorgos Papandreou, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank Jean-Claude Trichet und Ratspräsident Herman Van Rompuy. Dabei ging es auch um die Beteiligung von Banken, Versicherern und Rentenfonds an weiteren Hilfen für Athen.

"Samaras muss sich erklären"

Die konservativen Volksparteien, darunter CDU und CSU, kündigten an, den Chef der größten griechischen Oppositionspartei, Antonis Samaras, zur Zustimmung zu den mit EU und Weltwährungsfonds ausgehandelten Spar- und Reformplänen bewegen zu wollen. "Samaras muss sich heute erklären", sagte Werner Langen, Chef der CDU-Gruppe im EU-Parlament. Das griechische Parlament stimmt am 30. Juni über die Pläne ab. Fallen sie durch, erhält das Land keine Hilfe mehr, es wäre Mitte Juli pleite. Samaras zeigte sich auf dem Treffen dennoch weiter uneinsichtig. Er forderte "korrektive Maßnahmen" an den Sparplänen. Druck kam auch aus den USA. Notenbankchef Ben Bernanke warnte vor einer Staatspleite Athens. "Ich denke, die Europäer sind sich der ungeheuren Bedeutung bewusst, die Situation in Griechenland zu lösen", sagte Bernanke in Washington.

© SZ vom 24.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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