EU-Kommission beschließt härtere Auflagen für Deutschland:Berlin wehrt sich gegen Sparvorgabe aus Brüssel

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Deutschland muss im Jahr 2004 seine Staatsausgaben um sechs Milliarden Euro zusätzlich kürzen. Einen entsprechenden Sanierungsplan soll die Bundesregierung bis zum 9. Januar in Brüssel eingereicht haben. Nur mit diesen Auflagen will die Kommission Deutschland erlauben, erst 2005 wieder unter die Maastrichter Defizitgrenze von 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu kommen. Finanzminister Eichel nannte die Maßnahmen unangemessen.

Von Cornelia Bolesch und Ulrich Schäfer

(SZ vom 19. November 2003) Eichel erklärte auf dem SPD-Parteitag in Bochum, die Regierung werde die Sparvorgaben aus Brüssel nicht akzeptieren. Zugleich warnte er die EU-Kommission davor, Sanktionen zu verhängen. Mit Blick auf die Aufforderung, das von Konjunktureinflüssen bereinigte Defizit noch stärker als bislang geplant zu senken, sagte Eichel, "die Finanzpolitik darf in dieser Phase nicht prozyklisch sein" und dürfe die Krise nicht verlängern.

"Wenn man bedenkt, welche Anstrengungen wir mit der Agenda 2010, mit dem ganzen Subventionsabbau machen und mit den Eingriffen in die sozialen Sicherungssysteme", dann gebe es "eine andere, angemessenere Antwort aus Brüssel", sagte Eichel.

"Agenda 2010 reicht nicht"

Die Bundesbank und die Opposition verlangten dagegen, die Regierung solle die Entscheidung, die nächste Woche von den EU-Finanzministern bestätigt werden muss, akzeptieren. Bundesbank-Vorstandsmitglied Franz-Christoph Zeitler sagte: "Im Augenblick ist der Stabilitätspakt nicht tot, aber auf der Intensivstation und braucht intensive Zuwendung."

Die Union forderte Eichel zum Rücktritt auf. Mit seinem bewussten Konfrontationskurs gegenüber der EU-Kommission sei er "zum Totengräber des europäischen Stabilitätspakts" geworden, sagte der Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer. Experten der Deutschen Bank unterstützten dagegen Eichel und warfen der Kommission vor, sie unterschätze die bereits in Deutschland eingeleitete Haushaltskonsolidierung.

Nach den Plänen von EU-Währungskommissar Pedro Solbes soll Deutschland sein von Konjunktureinflüssen bereinigtes Defizit im nächsten Jahr nicht nur um zwölf, sondern um 18 Milliarden Euro zurückführen. Im Gegenzug will Solbes der größten Volkswirtschaft in der EU ein Jahr mehr Zeit gewähren (bis 2005), um das Defizit unter die festgelegte Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückzuführen.

Gnadenfrist für Deutschland Deutschland hatte im letzten Jahr erstmals gegen dieses Stabilitätskriterium verstoßen. Eichel hatte vor kurzem eingeräumt, dass das Minus von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialkassen auch in diesem Jahr bei über vier Prozent und im nächsten Jahr bei 3,5 Prozent liegen werde. Solbes sagte in Straßburg, die Kommission habe Deutschland eine Art "Gnadenfrist" geben wollen, um das Defizit in den Griff zu bekommen. "Aber wir brauchen eine Garantie, dass dies für 2006 auch wirklich gelingt", sagte Solbes. Daher seien zusätzliche Sparanstrengungen nötig.

Schon vor der Entscheidung am Dienstag hatte Kommissionspräsident Romano Prodi das Vorgehen gegen Deutschland verteidigt. "Die Stabilität des Euro muss gewahrt bleiben", sagte er vor dem Europaparlament. Es sei die Pflicht der Kommission, darüber zu wachen. Die Entscheidung der Behörde, von Deutschland noch mehr Sparleistungen zu fordern, ist jedoch nur vorläufig. Den endgültigen Beschluss treffen nächste Woche die EU-Finanzminister im Ecofin-Rat. Auflagen für Deutschland müssen dort mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden; dies aber ist zweifelhaft, weil Frankreich und Italien den Deutschen beispringen und damit eine Entscheidung blockieren könnten.

Solbes hatte vor der Kommissionssitzung bekräftigt, Deutschland werde "genauso wie Frankreich" behandelt. Von Frankreich hatte die Kommission verlangt, das im Vergleich zu Deutschland höhere strukturelle Defizit im Jahr 2004 um ein Prozent zu verringern. Über diesen Vorschlag der Kommision haben die EU-Finanzminister noch nicht entschieden.

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