EU-Kleiderfrage:Das letzte Hemd

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Der Regierungssprecher empfiehlt: Statt zwei sollten die Staatschefs lieber drei Hemden mitbringen, denn dieser Gipfel könne ein Three-Shirt-Summit werden. Und was ist mit Frau Merkel?

Thorsten Denkler

Ein EU-Gipfel endet in der Regel mit dem letzten Hemd. Die Erkenntnis haben wir Regierungssprecher Ulrich Wilhelm zu verdanken. Es gebe jetzt beim EU-Gipfel in Brüssel doch noch viele offene Fragen, und deshalb werden die Regierungschefs nicht - wie üblich zwei - sondern wahrscheinlich eher drei Tage verhandeln.

Das hat zur Folge: Statt zwei sollten die Staatschefs doch lieber drei Hemden mitbringen, sagt der Regierungssprecher. Dieser Gipfel, prophezeit er, werden ein Three-Shirt-Summit.

Das darf jetzt nicht als unlautere Modeberatung eines Fachfremden verstanden werden. Eher als freundlicher Hinweis, die richtige Ausrüstung mit auf den Gipfel zu nehmen. Denn in den zu erwartenden hitzigen Debatten etwa um Quadratwurzellösungen - was rein gar nichts mit Zahnweh zu tun hat - leidet nicht zuletzt das Hemd.

Ein Verhandlungstag sollte reichen, das Hemd feucht werden zu lassen. Es empfiehlt sich übrigens zu solchen Gelegenheiten immer, ein weißes Hemd zu tragen. Farbige Hemden neigen dazu, die schweißnassen Achselhöhlen des Trägers besonders zu betonen.

Schuld ist nur der Hypothalamus

Zwischen Hemd und Schweiß besteht also eine engere Verbindung. Verantwortlich für das Hemd verschleißende Ärgernis ist der Hypothalamus. In ihm sitzt das Schweiß-Steuerzentrum des Gehirns, gewissermaßen der Bio-Tech-Thermostat des Hemdträgers.

Wärmesonden im Körperinneren und auf der Haut registrieren jede Temperaturschwankung im und am Körper. Ist es zu warm, werden die Schweißdrüsen höflich, aber bestimmt aufgefordert, die Haut mit Flüssigkeit zu benetzen, damit sanft der Wind darüber streiche. Das schafft die nötige Verdunstungskälte.

Der Natur ist dabei leider völlig entgangen, dass der moderne Homo sapiens in der Regel nicht mehr jagend durch die Steppe zieht, sondern eher durch Büroräume in Brüssel. Er sitzt dabei auch mehr, was sich zugegeben bei manchen Artgenossen nicht positiv auf die Schweißproduktion auswirkt. Immer gilt: Schweißgeruch wirkt kontraproduktiv.

Wissenschaftler weisen in diesem Zusammenhang gerne darauf hin, dass via Schweiß wichtige Duftbotschaften versendet werden. Düfte entscheiden über Sympathie und Antipathie. Was bedeutet das für diesen Three-Shirt-Summit? Zumindest scheint sicher, dass einige Gipfelteilnehmer andere nicht "gut riechen können", wobei immer wieder der Name des Weiß-Hemden-Trägers Kaczynski fällt.

Auch ein Three-Skirt-Summit?

Das Hemd stellt die Herren in der Runde übrigens vor eine weitere Herausforderung. Die hat etwas mit Etikette zu tun. Das Hemd ist modehistorisch Teil der Unterwäsche - wer sich angesichts sommerlicher Temperaturen des Jacketts entledigt, könnte damit streng modetechnisch in Anwesenheit einer Dame einen Fauxpas begehen. Dass schon mancher Politiker symbolisch vor der Kanzlerin die Hosen heruntergelassen hat, spielt hier keine Rolle.

Frau Merkel hat im Übrigen einen nicht unerheblichen Vorteil: Sie trägt weder Hemden noch Blusen. Das schützte sie allerdings nicht vor Überraschungsangriffen der eigenen Schweißdrüsen, etwa die Attacke bei den Bayreuther Richard-Wagner-Festpielen. Deshalb ist ihr damaliges apricotfarbenes Abendkleid noch in lebhafter Erinnerung. Es ist unklar, welche Parole Sprecher Wilhelm seiner Herrin ausgegeben hat - jedenfalls wird in Merkels Umfeld die angebliche Losung vom Three-Skirt-Summit glaubhaft dementiert.

Falls einer aus Merkels Mannschaft zur Sicherheit auf ein weißes Hemd zurückgreifen möchte, kann geholfen werden: Im Kanzleramt müssten noch einige vorrätig sein. Tausende Bürger haben 2002 dem Merkel-Vorgänger Gerhard Schröder ihr letztes Hemd geschickt. Einige davon landeten damals in Sozialkaufhäusern, die besseren Exemplare könnten aber durchaus noch im Keller des Kanzleramtes lagern. Jetzt wäre Gelegenheit, sie einem nützlichen Zweck zuzuführen.

Wenn es die deutsche Ratspräsidentschaft schon nicht schafft, den Gipfel auf die üblichen zwei Tage zu beschränken, dann sollte sie den Teilnehmern wenigstens versprechen: Das dritte Hemd, das stellen wir.

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