EU:Gemeinsam einsam

Lesezeit: 3 min

Pressestatement im Garten: Bundesfinanzminister Olaf Scholz soll etwas über Corona-Bonds sagen - dabei möchte er das Wort aber lieber nicht aussprechen. (Foto: Michele Tantussi/Reuters)

Die EU-Finanzminister ringen um Hilfen für Staaten in Not. Die digitale Konferenzschaltung kommen ihnen dabei nicht gerade entgegen.

Von Björn Finke und Cerstin Gammelin , Berlin/Brüssel

Und wie soll man jetzt verstehen, was der deutsche Bundesfinanzminister da vorne über die gerade abgebrochenen Verhandlungen der EU-Finanzminister berichtet? Mittwochmorgen in Berlin, Olaf Scholz hat zur Pressekonferenz eingeladen, richtig analog in den Garten des Bundesfinanzministeriums. Weil der so groß ist wie ein kleiner Park, ist es einfach, den gebotenen Sicherheitsabstand einzuhalten, einerseits. Andererseits aber spricht der Minister so leise, dass man wieder näher ran muss, damit er nicht vom Zwitschern der Vögel übertönt wird. Blöd nur, dass gerade jetzt ein riesiger LKW vors Tor fährt. Und, als der weg ist, ein Hubschrauber näher kommt. Ist das die Bundeskanzlerin, die nach der Kabinettssitzung zum nächsten Termin muss? Nachdem der Helikopter davongeflogen ist, hört man dann, wie der Minister darüber spricht, dass Corona-Bonds nicht zu den Instrumenten gehören, mit denen klammen Staaten geholfen werden soll. Und, wie immer, spricht er das Wort nicht aus. Was nicht gesagt ist, findet nicht statt.

Corona-Bonds? Das ungeliebte Wort spricht Olaf Scholz nicht aus

Bis Mittwochmorgen hatten die Minister sechzehn Stunden lang miteinander gerungen. Eine Einigung gab es nicht. Aber eine gemeinsame Erfahrung: Digital streiten ist schwerer als analog. In früheren Krisen hatten zuerst alle Minister zusammengesessen, dann in kleineren Gruppen verhandelt und sich schließlich alle wiedergetroffen. Ein paar gingen mal vor die Tür, andere verspeisten ein Sandwich. Jetzt, in den Videoschalten, ist das mit dem vor die Türe gehen schwierig. Und so saß Mário Centeno, der Vorsitzende der Gruppe, zunächst vor einem Bildschirm und sah alle seine Kollegen. Dann wollte er aber mal einzeln mit dem Niederländer, dem Deutschen oder dem Italiener reden. Und weil einfach rausgehen nicht ging, musste alles abgeschaltet werden. Später schalteten sich die kleinen Gruppen zusammen, dann wieder alle.

Das Geschalte führte dazu, dass sich alle Minister zusammen erst wieder gegen Mitternacht auf einem Bildschirm sahen. Und weil noch die Chefs aus Berlin, Paris und Den Haag untereinander telefonierten, und die Minister mit ihren Regierungschefs und Präsidenten, dauerte es eben noch länger. Es bleibt abzuwarten, ob sich das Digitale in kniffligen Verhandlungen wirklich bewähren wird. Der Beweis steht jedenfalls aus.

Schon vor der Schalte hatte der Streit um gemeinschaftliche Anleihen die Stimmung aufgeheizt. Angeführt von Frankreich, Italien und Spanien plädierte eine Mehrheit der Euro-Staaten dafür, einen Weg zu suchen, mit dem Staaten finanziell geholfen werden könnte, ohne dass die Schuldenberge drastisch ansteigen. Als Lösung wurden Euro-Bonds präsentiert; der Vorschlag lief im Wesentlichen darauf hinaus, eine gemeinsame, in Laufzeit und Summe limitierte Anleihe aller Euro-Staaten auszugeben. Das Kalkül dabei ist, dass die Risikoaufschläge für Corona-Bonds so niedrig ausfallen wie für deutsche Anleihen. Dabei würden alle Staaten von der sehr guten Kreditwürdigkeit der Bundesrepublik profitieren. Berlin hat es bisher abgelehnt, darüber zu reden.

Der Streit um die gemeinsamen Anleihen treibt auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen um. Sie fürchtet, dass die Debatte ergebnislos verläuft und nur die Stimmung vergiftet. Als Alternative schlägt die Deutsche vor, den neuen siebenjährigen Finanzrahmen der EU für Konjunkturprogramme zu nutzen. Bislang haben sich die Regierungen noch nicht auf einen EU-Etat für 2021 bis 2027 geeinigt. Von der Leyen lässt den Kommissionsentwurf nun überarbeiten. Ihr Haushaltskommissar Johannes Hahn erläuterte jetzt in der Financial Times, wie das aussehen könnte. Dem Österreicher schwebt vor, dass die Mitgliedstaaten der Kommission die Aufnahme von Hunderten Milliarden Euro an Darlehen erlauben. Dieses Geld könnte die Brüsseler Behörde dann zum Beispiel als Bürgschaften verwenden, damit Staaten zu günstigen Zinsen Kredite erhalten. Das wäre vor allem wichtig für Länder wie Italien und Spanien, die unter Schuldenbergen ächzen. Daher müssten sie höhere Zinsen zahlen, wenn sie sich für Konjunkturspritzen Darlehen besorgen.

Die Mitgliedstaaten legen fest, wie viel die Kommission ausgeben und wie sehr sie sich verschulden darf. Hahn schlägt vor, wegen der Corona-Krise die Verschuldungsgrenze für einen befristeten Zeitraum deutlich zu erhöhen. Für diese Schulden haftet die Behörde mit ihrem Haushalt, also letztlich den Beitragszahlungen der Mitgliedstaaten. Die Überlegung der Kommission dabei ist, dass es für Staaten wie Deutschland und die Niederlande einfacher wäre, solchen europäischen Schulden zuzustimmen als den umstrittenen Corona-Bonds.

© SZ vom 09.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: