Erster H5N1-Fall bei Nutztieren:Geflügelzüchter fürchten die Angst der Verbraucher

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Die Verbraucher sind verunsichert und essen weniger Geflügel - die Geflügelzüchter trifft das hart. Aber auch die deutsche Wirtschaft könnte darunter leiden.

Björn Finke

Die deutschen Gefügelzüchter stehen nach dem Vogelgrippefall in einem sächsischen Zuchtbetrieb vor weiteren Einbußen. Die Situation für alle Geflügelhalter werde nun viel schwieriger, sagte der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Helmut Born, am Mittwoch in Berlin.

Seit Verhängung der Stallpflicht im Herbst hat die Vogelgrippe die Geflügelbetriebe dem Verband zufolge 143 Millionen Euro gekostet.

Hauptgrund dafür ist die Verunsicherung der Verbraucher. Die Kunden haben laut DBV in den vergangenen Monaten bis zu 30 Prozent weniger Fleisch von Hühnern, Enten und Gänsen als im Vorjahreszeitraum gekauft. Die Auswirkungen für die gesamte Wirtschaft würden eher gering ausfallen, sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministerium der Süddeutschen Zeitung.

Auch wenn Branchen wie Tourismus und Landwirtschaft in einigen Regionen erheblich leiden würden, schmälere dies das Wirtschaftswachstum über das gesamte Jahr gesehen nicht.

EU lobt deutsche Behörden

Nach dem Vogelgrippefall könnten sich Staaten außerhalb der EU nun weigern, lebendes Geflügel und Fleisch aus Deutschland einzuführen. Nach dem Ausbruch der Krankheit unter Nutztieren in Frankreich haben im Februar mehr als 40 Länder den Import französischen Geflügels gestoppt.

EU-Mitglieder dagegen dürfen ihre Grenzen nicht eigenmächtig schließen. Innerhalb der Union gilt der Grundsatz, dass die Länder den freien Warenverkehr nicht einschränken können, wenn das betroffene Mitglied die Krankheit so bekämpft, wie es die EU vorgibt - also etwa die Region mit dem verseuchten Betrieb für Geflügeltransporte sperrt und damit versucht, die weitere Ausbreitung zu verhindern.

Entsprechend wies Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) darauf hin, dass alle innerhalb der EU vereinbarten Regeln auch wirklich eingehalten werden müssten. Die EU-Kommission bescheinigte den Behörden am Mittwoch, die erforderlichen Schritte unternommen zu haben.

Ob ein Importstopp anderer Staaten Tiere und Fleisch aus ganz Deutschland oder nur aus Sachsen beträfe, ist nicht klar. In internationalen Vereinbarungen sei eigentlich festgelegt, dass die Regierungen nur Einfuhren aus betroffenen Regionen beschränken sollten, sagte ein Sprecher von EU-Verbraucherschutzkommissar Markos Kyprianou in Brüssel.

Allerdings hielten sich nicht alle Staaten daran. So blockierten einige Länder Importe aus ganz Frankreich. Erfreulich sei aber, dass die wichtigen Einfuhrstaaten USA, Kanada und Russland inzwischen nur noch Waren aus der betroffenen Region abwiesen. Nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes produzieren die deutschen Betriebe vor allem für den Heimatmarkt.

Die Tierseuchen schaden nicht nur den Betrieben, in denen die kranken Tiere leben, sondern auch benachbarten Höfen. In den Betrieben, in denen die Vogelgrippe auftritt, werden sämtliche Tiere getötet - wie jetzt auch im sächsischen Muldentalkreis.

Bei Massentötungen wegen einer Tierseuche kommen in Deutschland die Seuchenkassen der Länder für den Schaden auf. Die benachbarten Höfe verlieren ebenfalls Geld, weil ihre Umgebung für Tiertransporte gesperrt ist und sie weder Geflügel verkaufen noch neue Küken anliefern lassen können.

Allerdings erhalten diese Unternehmen keine Entschädigung aus den Kassen. In Deutschland gibt es 93.600 Geflügelbetriebe, die im vergangenen Jahr etwa fünf Milliarden Euro Umsatz machten.

Jedes Land hat seine eigene Tierseuchenkasse. Die Sächsische Tierseuchenkasse lässt den Wert der befallenen Bestände von Amtstierärzten schätzen. "Die Entschädigung der Kassen ist häufig sehr nah dran an dem Betrag, den der Betrieb für das Geflügel am Markt erzielen könnte", sagte Agnes Scharl vom Deutschen Bauernverband. Die Versicherungswirtschaft ist zunächst außen vor.

Nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft können sich verarbeitende Betriebe gegen Schließungen auf behördliche Anordnung etwa bei Seuchen versichern. Dagegen könnten sich Landwirte nicht absichern, sagte ein Sprecher des Verbandes.

Preise bisher nicht gesunken

Die Preise für Geflügel in den Geschäften sind nach Angaben des Bauernverbandes bisher nicht gesunken. Grund dafür ist, dass die Händler mit langfristigen Verträgen an die Geflügelbetriebe gebunden sind.

Doch die Landwirte würden erhebliche Verluste erleiden, weil das Geflügel nicht frisch verkauft werden könne, sondern im Tiefkühllager lande, was den Preis mindere. Ob die Verbraucher nach dem Fall in Sachsen nun noch weniger Geflügel kaufen, hänge auch vom Krisenmanagement der Politik und der Frage ab, bis wann die Seuche endgültig eingedämmt ist, sagte die DBV-Sprecherin: "In Italien ist die Nachfrage wegen der Vogelgrippe-Diskussion um 80 Prozent eingebrochen, weil die Kunden der Regierung nicht vertrauten."

Bliebe es in Deutschland bei einem Fall, seien die Auswirkungen vielleicht nicht so stark.

© SZ vom 6.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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