Erste Erfolge bei Terrorfahndung:Verräterische Kontakte

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Einer der verdächtigen Libanesen ist flüchtig, nun sucht die Polizei nach seinen Hintermännern.

Annette Ramelsberger

Die Beamten fuhren bei einem Autohändler im Norden von Essen vor, sie standen vor einer Wohnung im Kölner Stadtteil Ehrenfeld, sie klingelten bei einem Unternehmer in Oberhausen. Dass sie den Hauptverdächtigen, den mutmaßlichen Komplizen des bereits gefassten Bombenlegers von Kiel, nicht finden würden, das wussten sie bereits. Dieser hatte sich schon vor drei Wochen in den Nahen Osten abgesetzt. Mit ihrer Razzia in drei Städten wollten die Fahnder jedoch an die möglichen Hintermänner der beiden jungen Libanesen herankommen.

Die Beamten suchten im Ruhrgebiet nach zwei libanesischen Geschäftsmännern, die seit Jahren in Deutschland leben. Es handelt sich um die Mitglieder zweier libanesischer Großfamilien, die sich hier mit Handelsgeschäften eine Existenz aufgebaut haben. Allerdings, sagte ein Sicherheitsexperte zur Süddeutschen Zeitung, stünden Teile dieser Familien im Visier der Behörden, weil nicht klar sei, wozu ihre Geschäfte genau dienten. Der Verdacht geht offenbar dahin, dass sie mit den Erlösen aus ihren Geschäften auch terroristische Aktivitäten in ihrer Heimat unterstützen.

Dass die Bombenleger von Koblenz und Dortmund Kontakte zu dieser Familie hatten, dass sie zum Teil in deren Umkreis wohnten, dass sie finanzielle Unterstützung von ihnen erhielten, ist den Fahndern bekannt. Noch wissen sie nicht, wie die jungen Libanesen radikalisiert wurden und was sie zu ihrer Tat bewogen haben mag. "Wurden sie hierher geholt, damit sie etwas unternehmen - oder kamen sie nur hierher, um zu studieren und wurden dann vom Krieg im Libanon so emotionalisiert, dass sie die Bombe bauten?" - so umreißt ein Experte die beiden Thesen, welche die Fahnder umtreiben. Gegen die erste These spricht allerdings, dass die libanesischen Geschäftsleute seit Jahren in Deutschland leben und auch hier bleiben wollen. Es ist also kaum anzunehmen, dass sie sich Terroristen anheuern.

Schwerpunkte in Universitätsstädten

Die beiden Verdächtigen gehören nach Erkenntnissen der Behörden zu Sympathisanten der "Hizb ut-Tahrir al-Islami", der islamischen Befreiungspartei, deren Zentrale sich in Libanon befindet. Die im Verfassungsschutzbericht als "HuT" abgekürzte extremistische Organisation sieht im Staat Israel ihren Hauptfeind, den sie bis zur Vernichtung bekämpfen will. So moniert ein Flugblatt der HuT, dass nicht alle Armeen der arabischen Länder losbrechen, um "den Judenstaat endgültig zu vernichten. Warum werden nicht überall die Fronten eröffnet, um das jüdische Räuberpack zu bekämpfen?" Doch auch die westlichen Demokratien gelten als Gegner. Einem Muslim sei es nicht gestattet, die Demokratie zu akzeptieren, hieß es 1996 in einer Broschüre der HuT. Die Demokratie tun die Islamisten als "Blasphemie" ab.

Ihre Schwerpunkte hat die HuT vor allem in Universitätsstädten, und obwohl das Innenministerium in Berlin vor drei Jahren ein Betätigungsverbot verfügte, haben sich die Strukturen nicht wirklich aufgelöst. Die Anhänger treffen sich weiter, nur wirken sie jetzt mehr im Verborgenen. Der aktuelle Verfassungsschutzbericht geht von einem Zuwachs bei der Organisation aus. Anstelle von 200 Anhängern, wie im Jahr 2004, soll die Gruppe jetzt rund 300 haben.

Behörden sind ungewöhnlich zuversichtlich

Den Fahndern geht es nun erst einmal darum, des zweiten mutmaßlichen Bombenlegers habhaft zu werden. Er hatte sich bereits Stunden nach dem missglückten Bombenanschlag über Istanbul in den Nahen Osten abgesetzt. Mit an Bord war nach Erkenntnissen auch sein Komplize Youssef Mohamad E., der am Samstag in Kiel festgenommen worden war. Warum der Kieler Verdächtige nach Deutschland zurückkehrte, ist unklar. Kommilitonen hatten davon gesprochen, dass ihr Studienkollege erst vor kurzem in seiner Heimat gewesen sein soll.

Die Behörden geben sich ungewöhnlich zuversichtlich, dass sie den untergetauchten, der Jihad H. heißen soll, bald fassen werden. Schon am Montagabend sagte der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, im ZDF, er sei nicht nur zuversichtlich, sondern "optimistisch", den mutmaßlichem Bombenleger bald zu fassen - als wenn seine Leute schon im Vorgarten des Täters säßen. Offensichtlich setzt Ziercke auf die guten Kontakte in den Nahen Osten. Mit den Geheimdiensten dort pflegt man einen regelmäßigen Austausch. So hatte der libanesische Militärgeheimdienst den Hinweis auf das abgehörte Telefonat des Bombenlegers von Kiel innerhalb von Stunden an die Deutschen weitergegeben.

© SZ vom 23.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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