Ernst Nolte:Ein Versuch, aus Judenhass eine Abwehrideologie zu machen

Abgesehen davon birgt Noltes Vergleich zwischen Islamismus und den beiden europäischen Bewegungen letztlich wenig Erkenntnisgewinn. Freilich, alle drei Bewegungen folgen kollektivistischen Weltbildern und haben zum Ziel, sämtliche menschlichen Lebensbereiche möglichst umfassend zu regulieren. Insgesamt jedoch scheinen die Unterschiede weitaus größer zu sein als die Schnittmengen.

Weite Strecken seines neuen Buchs nutzt Nolte zur Wiederholung seiner alten Thesen. Erneut versucht er, den "Rassenmord" der Nationalsozialisten als Reaktion auf die angebliche Gefahr eines "Klassenmords" der Bolschewisten zu verklären.

Analog bemüht er sich, nunmehr auch im Judenhass arabischer Islamisten eine rationale Abwehrideologie gegenüber einer konkreten Bedrohung zu verstehen. Israel und der Zionismus werden, so der Autor, heute von Islamisten als das "Konzentrat und die Spitze 'des Westens'" und als "Kolonisator und Vorkämpfer der Moderne" in der islamischen Welt wahrgenommen und bekämpft.

Insgesamt nehmen die Rolle der Juden und nun auch Israels einen zentralen Stellenwert in Noltes Buch ein. Dabei versteigt sich der Autor zu allerlei abstruse Behauptungen. So erklärt er den Mufti von Jerusalem, Amin el-Husseini, einen Nazi-Kollaborateur, der während des Zweiten Weltkriegs mit Adolf Eichmann in Berlin die Ermordung der im arabischen Raum lebenden Juden plante, zum "tapferen Vorkämpfer der Palästinenser".

Im "eroberungswilligen Nationalismus" von Zionisten und Nazis hingegen glaubt Nolte Übereinstimmungen festzustellen. Prinzipiell lasse die israelische Politik "den Vergleich mit dem Unrechtstatbestand der Hitler'schen Ideologie" zu - ein Argument, das gewöhnlich auch Antisemiten nicht fremd ist. Befremdlich ist auch Noltes Bemerkung zur Israellobby in den USA und ihrem "gewaltigen Einfluss auf die Finanzwelt und das Wählerverhalten im Hinblick auf Israel".

Das Bedürfnis, provokativ zu sein

Zur Seriosität des Buches tragen schließlich auch nicht die Ausführungen bei, in denen der Autor die Rolle des israelischen Geheimdienstes Mossad als eigentlichen Urhebers der Terroranschläge vom 11.September 2001 als eine "ernster zu nehmende Theorie" prüft.

Der Grund für all diese Entgleisungen, mit denen Ernst Nolte seinen Leser traktiert, liegt gewiss weniger im schlichten Gemüt des Autors als im Bedürfnis zu provozieren. Tatsächlich scheint der Wunsch nach Aufmerksamkeit das Hauptanliegen des seit dem Historikerstreit geächteten Nolte zu sein. Zwischen den Zeilen schimmert die Sehnsucht nach dem Skandal.

Diesen Wunsch sollte man dem Autor nicht erfüllen. Die Ausgangsfrage des Buches, der Versuch, den Islamismus in die Ideologien der Moderne einzuordnen, ist spannend. Bedauerlich, dass es sich in Absurditäten verliert.

ERNST NOLTE: Die dritte radikale Widerstandsbewegung: Der Islamismus. Landtverlag, Berlin 2009. 414 Seiten, 39,90 Euro.

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