Sprengstoff, Kalaschnikows und Bargeld
Die belgischen Behörden haben nach dem landesweiten Anti-Terror-Einsatz über den aktuellen Stand informiert. Demnach wurden am Donnerstag bei zwölf Durchsuchungen insgesamt 13 Personen festgenommen, einigen von ihnen sind demnach Syrien-Heimkehrer. Ob die Polizei noch nach Flüchtigen fahnde, wollten die Ermittler nicht bekanntgeben. Einen Tag nach dem Einsatz sind Ermittlungen gegen fünf Verdächtige eingeleitet worden. Ihnen werde "Beteiligung an Aktionen einer Terrorgruppe" vorgeworfen, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Drei der Verdächtigen wurden in Untersuchungshaft gesteckt, zwei weitere wurden unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt.
Ihr Forum:Verviers, Berlin, Paris: Helfen diese internationalen Einsätze gegen den Terrorismus?
In Belgien berichtet die Staatsanwaltschaft von verhinderten Anschlagsplänen gegen Polizisten. Die Berliner Polizei nimmt mutmaßliche Dschihad-Unterstützer fest. Wie bewerten Sie diese Anti-Terror-Einsätze?
In Verviers, wo die Polizei gestern zwei Verdächtige getötet hatte, fanden die Ermittler vier Sturmgewehre vom Typ Kalaschnikow, weitere Handfeuerwaffen, Sprengstoff und Zünder, Handys, Funkgeräte, gefälschte Dokumente sowie Bargeld und Polizeiuniformen. Zwei weitere Personen wurden zudem in Frankreich festgenommen. Sie wollten nach Italien flüchten. "Sie wollten die Grenze genau in dem Moment überqueren, in dem die Grenzbeamten den Steckbrief aus Belgien erhielten", hieß es aus französischen Polizeikreisen. Da es sich um belgische Staatsbürger handele, werde ihre Auslieferung beantragt.
Die Ermittler wiederholten ihre Einschätzung, wonach die Verdächtigen kurz davor waren, einen Terroranschlag zu verüben. Es habe sich um Tage oder aber auch um Stunden handeln können, hieß es. Die Verdächtigen planten, "Polizisten im öffentlichen Raum und in Polizeirevieren zu töten", sagte Eric Van Der Sypt, Sprecher der Staatsanwaltschaft in Brüssel. Der Einsatz der belgischen Spezialkräfte habe darauf abgezielt, die Terrorzelle samt ihres logistischen Netzwerks zu zerstören. Der in Verviers festgenommene, mutmaßliche Dschihadist werde weiter verhört, hieß es.
Derzeit haben die Ermittler weiterhin keinen Hinweis auf eine Verbindung zu den Pariser Anschlägen. Es sei auch noch vollkommen unklar, ob die Verdächtigen in Kontakt zu den Terrororganisationen "Islamischer Staat" oder Al-Qaida gestanden hätten. Auch über eine Verbindung zur radikalislamischen Gruppe "Sharia4Belgium" sei nichts bekannt. Die Staatsanwaltschaft zeigte sich zufrieden mit dem Polizeieinsatz. "Es war ein Schlag gegen den Terrorismus", sagte Sprecher Van Der Sypt.
Verdächtige schossen auf Polizei
Den Behörden zufolge eröffneten die Verdächtigen in Verviers bei dem Polizeieinsatz das Feuer auf die Spezialkräfte und schossen mehrere Minuten. Daraufhin wurden sie von den Polizisten "unschädlich" gemacht. Die Beamten hätten versucht, in eine Wohnung über einer Bäckerei im Zentrum der Stadt einzudringen, als sie beschossen worden seien.
Verviers hat etwa 50 000 Einwohner und liegt ungefähr 30 Kilometer von Aachen entfernt. Der Einsatz habe um 17:45 Uhr begonnen, meldete der TV-Sender RTBF.
Hier zwei Twitter-Fotos, die den Einsatzort der Anti-Terror-Aktion zeigen sollen.
Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert
Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.
Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert
Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.
Politische Führung kommt zu Krisensitzung zusammen
Nach dem Anti-Terror-Einsatz der belgischen Polizei will die Regierung nun über schärfere Sicherheitsmaßnahmen beraten. Bei der Kabinettssitzung ging es um die Frage, wie Terroranschläge verhindert werden könnten, meldete der belgische Sender RTBF. Angedacht seien der Einsatz des Militärs zur Überwachung von Einrichtungen, eine Ausweitung von Telefon-Abhöraktionen sowie Maßnahmen zum Schutz gegen rückkehrende Dschihad-Kämpfer aus Syrien oder dem Irak.
Terroralarm wird angehoben
Der Terroralarm wurde auf die dritte von vier Stufen angehoben. Es handelt sich dabei um den zweithöchsten Rang. Auch die EU-Kommission verschärfte ihre Sicherheitsmaßnahmen. Vor den Gebäuden der Behörde wurden mehr Sicherheitskräfte eingesetzt.
Verantwortliche der jüdischen Gemeinde entschieden sich deshalb einem Medienbericht zufolge dazu, dass am Freitag jüdische Schulen in Antwerpen und Brüssel geschlossen bleiben sollen. Wie auf der Internetseite der Zeitung Joods Actueel zu lesen war, waren die Vertreter zuvor informiert worden, dass die Einrichtungen zu potenziellen Anschlagszielen gehörten.
Auch eine jüdische Schule in Amsterdam öffnete ihre Pforten am Freitag vorsichtshalber nicht. Es gebe aber keine konkrete Bedrohung, schrieb der Vorstand der Schule den Eltern und Lehrern in einer Mail. "Im Zusammenhang mit der Anti-Terror-Aktion in Belgien und nach weiteren Informationen aus Belgien hat der Vorstand entschieden, dass unsere Schule heute aus Sicherheitsgründen geschlossen ist." Die jüdische-orthodoxe Schule Cheider wird von etwa 200 Schülern aus den ganzen Niederlanden besucht. Sie wurde nach Angaben von Lehrern in den vergangenen Jahren noch nie aus Sicherheitsgründen geschlossen.
SZ-Reporter Jannis Brühl war gestern Abend vor Ort und berichtete: "Nach der weiträumigen Sperrung am Abend ist in der Nacht nur noch die Rue de la Colline, in der das betroffene Haus liegt, durch Mannschaftswagen der Polizei abgeriegelt. Polizisten mit Sturmmasken und Maschinenpistolen sichern die Straße, auch viele andere Ermittler sind vermummt. Andere tragen weiße Schutzanzüge und schleppen Kisten mit Beweismaterial aus dem Haus, in dem die Schießerei stattfand.
Mourad Touati steht mit seiner Handykamera an der abgesperrten Straße. Er wohnt um die Ecke, seine Freunde hätten ihn gerufen und ihm erzählt, dass das Feuergefecht zwei bis drei Minuten gedauert hätte. 'Wir sind schockiert. Wir wussten nicht, dass in dem Haus Leute leben, die aus Syrien zurückgekommen sind', sagt der 28-Jährige. In der Stadt gibt es eine der größten Moscheen Walloniens, des französischsprachigen Teils von Belgien. Touati erzählt, dass es eine kleine radikale Szene unter den örtlichen Muslimen gebe. 'Aber die gehen nicht in die Moschee. Die hängen mit Leuten rum, die genau so denken wie sie.'"
Augenzeugen berichten von "Explosionen"
In sozialen Medien berichteten Augenzeugen von vermummten Polizeikräften, "Explosionen" und Schüssen. Die Terrorverdächtigen hätten Sturmgewehre vom Typ Kalaschnikow gehabt, berichtet die Online-Ausgabe der belgischen Zeitung De Standaard.
Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters haben die belgischen Behörden auch einen Mann festgenommen, der unter Verdacht steht, Waffen an Amedy Coulibaly geliefert zu haben. Coulibaly hatte in der vergangenen Woche in einem jüdischen Supermarkt in Paris vier Menschen erschossen.
Dutzende Razzien durchgeführt
Dem belgischen Nachrichtenportal De Morgen zufolge gab es Polizeieinsätze im Zentrum von Brüssel, Schaarbeek, Anderlecht und in der Region Vlaams-Brabant. In der Gemeinde Molenbeek-Saint-Jean (Region Brüssel-Hauptstadt) soll laut der Zeitung 7sur7 in der Metro ein Mann festgenommen worden sein, der eine Waffe trug und "Allahu Akbar" rief. Ingesamt seien laut Staatsanwaltschaft am Donnerstag ein Dutzend Razzien durchgeführt worden. Weitere Einsätze seien geplant.