Erbrecht:Testament alla toscana

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Mallorca-Rentner und Südfrankreich-Pensionisten sollten sich um ihren Nachlass kümmern. Wer im Ausland lebt, dessen Vermögen wird oft nicht nach deutschen Regeln vererbt.

Von Heribert Prantl

Ein paar Tage vor dem Abflug nach Mallorca schaut man üblicherweise in die Reiseunterlagen, ob alles passt. Seit diesem Montag empfiehlt sich auch ein Blick ins Testament und ins Erbrecht, geraume Zeit vorher am besten. Das klingt makaber, ist aber sinnvoll - für alle jedenfalls, die nicht nur zwei oder drei Wochen Ferien auf Mallorca oder sonstwo in Europa machen, sondern einen guten Teil des Jahres außerhalb Deutschlands verbringen.

Deutsche Mallorca-Rentner, Südfrankreich-Pensionisten und Toskana-Fraktionäre sollten ein neues Wort in ihren Wortschatz aufnehmen: EU-Erbrechtsverordnung. Diese Verordnung gilt ab sofort, sie ändert das Erbrecht grundlegend für alle Leute, die meist im Ausland leben, sei es, dass sie dort arbeiten, sei es, dass sie dort ihren Lebensabend verbringen, in der Finca auf Mallorca oder im Altersheim in Polen. Für sie alle gilt nun nicht mehr wie bisher das deutsche Heimat-Erbrecht, sondern im Todesfall findet das Recht Anwendung, das am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts eines Verstorbenen Gesetz ist - also etwa das spanische, französische oder italienische Landesrecht. Und dann ist es auch egal, ob sich Vermögenswerte nur dort oder auch in Deutschland oder einem weiteren Land befinden: Für alle Vermögenswerte, für den gesamten Nachlass ist dann das ausländische Erbrecht maßgeblich.

Das besagt der neue Grundsatz der Nachlasseinheit, den die EU-Erbrechtsverordnung eingeführt hat. Bewegliches und unbewegliches Vermögen, Immobilien und Sparbücher werden, wo immer sie sich befinden, von nun an einheitlich nach den Vorschriften der Rechtsordnung vererbt, die am letzten Wohnort des Verstorbenen gilt. Ansprüche des überlebenden Ehegatten etwa können dort ganz anders geregelt sein als im deutschen Recht; Pflichtteilsrechte gibt es womöglich überhaupt nicht. Und so etwas wie das hierzulande sehr beliebte Berliner Testament, bei dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben einsetzen, ist dort womöglich nicht anerkannt. Unter Umständen erbt dann die Wohnung am Gardasee und die Guthaben auf den deutschen Konten ein ganz anderer als der, dem das alles eigentlich zugedacht war.

Um dies zu vermeiden, reicht natürlich der bloßer Blick ins Testament oder das Vertrauen auf die gesetzliche Erbfolge in Deutschland nicht. Der Erblasser muss im Testament ausdrücklich die Anwendung deutschen Erbrechts vorschreiben. Eine solche Rechtswahl ist in der EU-Erbrechtsverordnung vorgesehen. Wer seine Wahlheimat in ein anderes EU-Land verlegt hat, sollte also genau prüfen, mit welchem Recht er besser fährt. Es kann auch sein, dass das ausländische Recht seinem Willen besser entspricht. Aber um klug taktieren zu können, muss man das ausländische Recht erst einmal kennen.

Die EU-Erbrechtsverordnung, die Klarheit ins europäische Erbrechtschaos bringen sollte, existiert eigentlich schon seit drei Jahren - aber sie trat erst jetzt in Kraft. Es galt eine dreijährige Übergangszeit, um die Menschen damit vertraut zu machen und ihnen, wie das Bundesjustizministerium erklärt, eine gute "Nachlassplanung" zu ermöglichen. Die Zeit ist noch nicht sehr intensiv genutzt worden. Anwälte und Notare verzeichnen rege Nachfrage.

© SZ vom 18.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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