Entscheidung zu Christian Klar:"Das ist eben die Gesetzeslage"

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Verständnis und Verbitterung: Die Freilassung des Ex-RAF-Terroristen Christian Klar ruft kontroverse Reaktionen hervor. Während einige Politiker das Urteil als korrekte Entscheidung bezeichnen, kritisieren es die Angehörigen der Opfer. Der einstige Landshut-Pilot gibt sein Bundesverdienstkreuz zurück.

Der FDP-Politiker und frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum hat die angekündigte Haftentlassung des früheren RAF-Terroristen Christian Klar gegen Kritik verteidigt. "Das ist eine völlig korrekte Entscheidung", sagte Baum der taz. "Das ist die Normalität des Strafvollzugs. Sie muss auch für Terroristen gelten."

Löst heftige Reaktionen aus: Der Beschluss des 2. Senats des Oberlandesgerichts Stuttgart, dass die Restfreiheitsstrafe gegen Christian Klar zur Bewährung ausgesetzt wird, vor einem Foto des 56-Jährigen. (Foto: Foto: dpa)

Er selbst bedauere zwar, dass Klar sich nicht von seinen eigenen Taten distanziert habe, sagte Baum. Dies dürfe jedoch kein Grund sein, ihn auch über die Mindesthaftzeit hinaus einzusperren. "Reue ist kein Kriterium, auch wenn das viele Leute stören wird", wurde Baum weiter zitiert.

"Wir leiden, der Täter wird entlassen"

Sabine Reichel verlor ihren Vater bei einem RAF-Attentat und hofft jetzt darauf, dass nach der vorzeitigen Haftentlassung Klars schnell Ruhe einkehrt. "Ich hoffe, dass das Thema Christian Klar damit bald aus der öffentlichen Diskussion verschwindet", sagte Reichel. "Es wäre gut, nichts mehr von ihm zu hören."

Verständnis habe sie nicht dafür, dass der Mörder ihres Vaters Georg Wurster nach 26 Jahren auf freien Fuß komme. Die Entlassung eines Mörders aus dem Gefängnis sei stets ungerecht. "Wir leiden weiter und der Täter wird ins Leben entlassen."

Georg Wurster war 1977 Justizhauptwachtmeister und Leiter der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft. Beim Attentat auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback wurden auch er und der Fahrer ermordet. Sabine Reichel war damals zwölf Jahre alt, sie spricht heute von einer "Hinrichtung". Klar wurde für die Morde verurteilt. Wiederholt forderte Reichel, der ehemalige RAF-Terrorist solle ein Leben lang für seine Taten büßen. "Das müssen wir als Opfer schließlich auch."

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts in Stuttgart habe sie keineswegs überrascht, sagte Reichel. "Ich habe nichts anderes erwartet. Er kommt frei, weil das eben die Gesetzeslage ist." Dies müsse man auch als trauernde Angehörige respektieren. Klar habe die Mindeststrafe verbüßt, "das zumindest ist ein wenig mehr gerecht als noch im vergangenen Jahr". Damals hatte sie erleichtert auf die Ablehnung des Gnadengesuchs von Klar reagiert.

Der Sohn des Ermordeten Siegfried Buback, Michael Buback, hatte bereits vor der Entscheidung erklärt, er akzeptiere die Regeln. Er appellierte aber an Klar, endlich sein Schweigen zum damaligen Attentat zu brechen. Dabei zeigte sich Buback gesprächsbereit. In dem Moment, in dem jemand - auch Christian Klar - ihm etwas mitteilen wolle, "würde ich den Hörer nicht auflegen", sagte der Hinterbliebene. Das Wichtigste, um mit dem Geschehen abschließen zu können, sei "die Wahrheit zu erfahren".

Auf Kritik stieß die Entscheidung bei Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU). Klar habe nie Verständnis dafür gezeigt, "welches Leid und welchen Kummer seine Taten ausgelöst haben", monierte sie.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) äußerte zwar Verständnis für das Gericht, das "aus rechtsstaatlichen Gründen" kaum anders hätte entscheiden können. Als Polizist, der die Zeit des RAF-Terrorismus miterlebt habe, verspüre er aber "tiefe Bitternis", sagte GdP-Chef Konrad Freiberg.

Landshut-Pilot gibt Bundesverdienstkreuz zurück

Aus Protest gegen die bevorstehende Entlassung gab der einstige Landshut-Pilot Jürgen Vietor sein Bundesverdienstkreuz zurück. Das berichtet die Bild-Zeitung. Vietor, der Co-Pilot des 1977 entführten Lufthansa-Flugzeugs war, sei "enttäuscht und verbittert" über die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart, zitiert die Zeitung aus einem Brief Vietors an Bundespräsident Horst Köhler. "Die Freilassung verhöhnt alle Opfer der RAF, seien sie tot oder noch am Leben", so Vietor weiter.

Im Oktober 1977 flog Vietor nach der Ermordung des Landshut- Kapitäns Jürgen Schumann das Flugzeug mit 86 Passagieren und drei Stewardessen an Bord von Aden (Jemen) bis Mogadischu in Somalia, wo sie von der deutschen Anti-Terroreinheit GSG 9 befreit wurde.

Bereits im vergangenen Jahr hatte Klar versucht, über ein Gnadengesuch in Freiheit zu gelangen. Bundespräsident Horst Köhler hatte dies jedoch im Frühjahr 2007 abgelehnt. Klar und Birgit Hogefeld sind die letzten Ex-RAF-Terroristen, die noch im Gefängnis einsitzen. Hogefeld kann frühestens 2011 mit einer Entlassung rechnen.

Ob Klar nach seiner Freilassung ein Praktikum als Bühnentechniker am Berliner Ensemble beginnen wird, war zunächst unklar. Dessen Intendant Claus Peymann hält das bereits vor drei Jahren gemachte Angebot dazu jedenfalls aufrecht, wie eine Sprecherin des Ensembles sagte.

Die Justizvollzugsanstalt Bruchsal, wo Klar den größten Teil seiner Haftzeit verbrachte, wollte sich am Montag nicht zu der bevorstehenden Freilassung äußern. Nach früheren Angaben des JVA-Leiters Thomas Müller hatte Klar zuletzt die vorgeschriebenen Haftlockerungen erhalten und seit dem Frühjahr 14 Mal Ausgang gehabt.

Für Morde an Buback, Ponto und Schleyer verurteilt

Klar war am 16. November 1982 festgenommen worden und sitzt seitdem im Gefängnis. 1992 war er zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt worden, die aus sechs lebenslangen Einzelfreiheitsstrafen und sogenannten zeitigen Freiheitsstrafen von 15, 14 und zwölf Jahren gebildet worden war.

Der gebürtige Freiburger war des neunfachen Mordes unter anderen an Generalbundesanwalt Siegfried Buback, Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto und Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer für schuldig gefunden worden. Als Mindesthaftzeit hatte das Gericht bereits 1998 mindestens 26 Jahre angeordnet. Der Strafrest wurde nun auf Antrag der Bundesanwaltschaft für fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

© dpa/AP/Reuters/segi/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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