Entführung von Blauhelm-Soldaten:Aufruhr in der Pufferzone

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Seit 1974 stehen Blauhelme auf den Golanhöhen zwischen Israelis und Syrern, ihre Rolle ist dort vor allem die des Zuschauers. Nun geraten die UN-Soldaten jedoch in einen neuen Konflikt im syrischen Bürgerkrieg - und damit zunehmend in die Schusslinie. Gerät der Bürgerkrieg außer Kontrolle?

Von Peter Münch, Tel Aviv

Ihr Stammplatz ist zwischen den Fronten, und das seit fast vier Jahrzehnten: Die Blauhelm-Soldaten der Undof-Mission auf den Golanhöhen sichern seit 1974 die Waffenruhe zwischen Israel und Syrien. So brisant die Aufgabe ist, so beschaulich gestaltete sich überraschenderweise über Jahrzehnte hinweg der Alltag der Truppe. In gespannter Ruhe galten neben der Minengefahr vor allem Verkehrsunfälle als größtes Risiko. Doch die aktuelle Geiselnahme belegt, dass im syrischen Bürgerkrieg nun auch die UN-Soldaten zunehmend in die Schusslinie geraten.

Anders als in sonstigen Krisengebieten sorgen die derzeit 1047 Blauhelm-Soldaten im Grenzgebiet zwischen Israel und Syrien selten für Schlagzeilen. Ihre eigentliche Aufgabe besteht darin, auf umstrittenem Terrain durch schiere Präsenz die feindlichen Truppen auseinanderzuhalten. Nötig ist dies, weil Israel im Sechstagekrieg des Jahres 1967 zwei Drittel der ursprünglich zu Syrien gehörenden Golanhöhen erobert hat und bis heute besetzt hält. Im Jahr 1981 hat Israel das 1200 Quadratkilometer große Gebiet sogar annektiert, was jedoch international nicht anerkannt wurde.

Bis heute fordert die Regierung in Damaskus die Rückgabe des strategisch wichtigen Höhenzuges, von dem aus man einerseits den israelischen See Genezareth überblicken, andererseits bis nach Damaskus schauen kann. Als im Jom-Kippur-Krieg von 1973 die Rückeroberung gescheitert war und auch danach die Spannungen nicht abflauen wollten, drang die Weltgemeinschaft auf eine friedenssichernde Maßnahme. Per UN-Resolution 350 wurde die Beobachtermission Undof (United Nations Disengagement Observer Force) ins Leben gerufen. Von Beginn an waren die Österreicher federführend dabei, sie stellen noch heute ungefähr ein Drittel der Truppe. Unterstützt werden sie derzeit von Soldaten aus Kroatien, Indien und den Philippinen.

Die Soldaten sichern im Grenzgebiet eine 75 Kilometer lange und bis zu neun Kilometer breite Pufferzone. In der UN-Resolution war damals festgelegt worden, dass sich in diesem Streifen lediglich syrische Zivilisten aufhalten dürfen. Zusätzlich wurden auf beiden Seiten zwei 25 Kilometer breite Zonen geschaffen, in denen nur eine bestimmte Anzahl von Soldaten und eine begrenzte Menge an militärischem Material erlaubt sind. Die Einhaltung dieser Bestimmungen kontrolliert die Undof mit monatlich bis zu 2600 Patrouillenfahrten. Nebenher helfen die Blauhelme bei humanitären Missionen wie dem Grenzverkehr von Drusen, deren Familien auf beiden Seiten der früheren Front leben - und manchmal zusammen mit dem Roten Kreuz auch bei der Organisation von grenzüberschreitenden Hochzeiten.

Die Funktion eines Briefkastens

Ihre Rolle ist jedoch vor allem die des Zuschauers und Berichterstatters. So griffen die Undof-Soldaten auch nicht ein, als es 2011 zu zwei blutigen Zwischenfällen an der Grenze kam; israelische Soldaten schlugen mit reichlich Feuerkraft palästinensische Demonstranten zurück, die sich anschickten, den Grenzzaun zu stürmen. Auch den Kämpfen zwischen syrischen Regierungstruppen und Aufständischen innerhalb des eigentlich demilitarisierten Gebiets, in deren Verlauf auch immer wieder Granaten auf der israelischen Seite einschlagen, stehen die UN-Beobachter machtlos gegenüber. Als Israel Ende Januar im Grenzgebiet die Spannungen anheizte mit einem Luftangriff auf einen Konvoi, der Waffen zur libanesischen Hisbollah-Miliz bringen sollte, diente die Undof lediglich als eine Art Briefkasten; die Führung in Damaskus hinterlegte dort einen Protestbrief.

In Israel haben sich nun die Regierung wie auch die Armeeführung jedes Kommentars zur Geiselnahme der UN-Beobachter enthalten, auch wenn die Entführung von den Aufständischen als Protestaktion gegen eine behauptete Zusammenarbeit zwischen Präsident Baschar al-Assad und den "Zionisten" verkauft wird. Niemand in Jerusalem will zusätzlich Öl ins brodelnde Feuer des Bürgerkriegs im Nachbarland gießen. Doch mit dem Übergriff auf die unparteiischen Blauhelme wächst die Gefahr, dass dieser Krieg über die Grenze dringt.

© SZ vom 08.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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